nd-aktuell.de / 24.09.1998 / Politik / Seite 18

Stofffreies »Zwischenland«

Bundesweit erstes Wohnprojekt für minderjährige Drogenabhängige in Friedrichshain eröffnet Von Simone Schmollack

Mit dem Schnitt durch ein Schleifenband eröffnete Jugendsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) gestern offiziell das bundesweit erste Wohnprojekt für minderjährige Drogenabhängige. »Zwischenland« in der Boxhagener Straße 117 in Friedrichshain kann bis zu zehn Kinder und Jugendliche für drei bis vier Monate aufnehmen, die dort von sieben Sozialarbeitern und -therapeuten rund um die Uhr betreut werden.

Die Wohngemeinschaft soll eine Zwischenstation für Jugendliche sein, die auf der Straße oder in Heimen mit Drogen leben, wie Jörg Richert vom Trägerverein

»Karuna - Freizeit ohne Drogen« sagte. Sie erhalten bei »Zwischenland« psychosoziale sowie medizinische Betreuung. Die Mädchen und Jungen müssen, wenn sie aufgenommen werden wollen, vorher eine Entgiftungskur mitmachen, so Richert. Keine Drogen, sei das oberste Gebot. Wie die Senatorin beteuerte, solle das Projekt eine typische Drogenkarriere von Straßenkindern frühzeitig verhindern helfen.

Seit Anfang September arbeitet das Projekt bereits. Mario (15) und Monique (17) sind die ersten Bewohner Während Mario seit Jahren von Heim zu Heim zieht, lebte Monique seit drei Jahren auf der Straße. Marios Alltag ist seit fünf Jahren vom Haschischrauchen bestimmt, er-

zählte er. Vom »Zwischenland« verspricht er sich, endlich von den Drogen loszukommen, die Schule beenden und danach eine Ausbildung beginnen zu können.

Nach Angaben von »Karuna« drücken bzw schnüffeln in Berlin rund 500 Jugendliche im Alter von 14 Jahren regelmäßig harte Drogen wie Heroin und Kokain. Typisch sei ein »Mischkonsum« beispielsweise von Designerdrogen, Alkohol, Haschisch, Heroin, Kokain. Wer einmal in ein Drogenleben abgerutscht ist, braucht selbst bei intensiver Betreuung vier bis fünf Jahre, um wieder davon loszukommen, sagte Jörg Richert.

Das Projekt im Hof eines ausgedienten Fabrikgebäudes wurde mit 90 000 Mark vom Senat sowie 70 000 Mark aus Spenden eingerichtet. Finanziert wird das Projekt über Tagessätze der Jugendämter der jeweiligen Orte, aus denen die Bewohner kommen. Darüber hinaus unterstützt die Stiftung »Brückenkinder« für obdachlose und drogenabhängige Kinder und Jugendliche die Wohneinrichtung. In Berlin leben etwa 3000 Jugendliche auf der Straße.