nd-aktuell.de / 24.09.1998 / Politik / Seite 19

»Kein Jenseits ist, kein Aufersteh'n«

Freireligiöse in der Berliner Kulturgeschichte Von Jack Rodrigez

Im Prenzlauer Berg Museum schichten sich verkohlte Balken, Speichenräder, Kellerfensterabdeckungen und Pflastersteine zu Barrikaden der 1848er Revolution. Daran sind Flugblätter und Bekanntmachungen geheftet. In drei Räumen wird anhand von Tafeln, Originalen und auf Band gesprochenen Texten die Verkettung sozialer, politischer und religiöser Fragen gezeigt, die gleichermaßen zur Frühbürgerlichen Revolution führten wie auch zur Gründung freidenkerischer und freikirchlicher Vereinigungen. Im

Mittelpunkt der Ausstellung »Freireligiöse in der Berliner Kulturgeschichte« steht die Freireligiöse Gemeinde Berlin. Deren Vorgängerin, die Deutschkatholische Gemeinde, weihte vor 150 Jahren ihren Friedhof in der Pappelallee 15/17 ein.

Als Friedhofspark besteht dieser noch heute auf dem ehemaligen Ackerflecken, den der Gutsbesitzer Wilhelm von Griebenow der Gemeinde schenkte. Der Schriftzug über der Friedhofspforte »Kein Jenseits ist, kein Aufersteh'n« ist gleichzeitig der Titel der Ausstellung. Die Gläubigen, die sich von der Amtskirche abwendeten, um ihr eigenes religiöses Verständnis gemäß der wissenschaftlichen

Vernunft zu entwickeln, sagten sich gleichzeitig von der Unterdrückung durch Priester und deren Bibelauslegungen los. Ihre Kinder besuchten zeitweise sogar statt des Religionsunterrichts den Jugendunterricht. Unter den Freireligiösen waren bekannte Namen. Beispielsweise Heinrich Roller (1839 bis 1916). Nach dem Stenografen ist seit 1925 eine Straße in Prenzlauer Berg benannt.

Die Beisetzungen von prominenten Politikern und Gewerkschaftern in der Pappelallee gerieten zu politischen Kundgebungen. Klar, daß dies dem Staat ein Dorn im Auge war Ein »sozialistisch-anarchistischer Diskutierklub« sei das, sagten die Nachfahren von Griebenow und verlangten das Friedhofsgelände zurück. Doch alle Bemühungen gegen die Freireligiösen blieben erfolglos. Erst unter den Nazis wurden sie verboten. Nach dem Krieg erlangte die Freireligiöse Gemeinde Berlin e.V ihre ursprüngliche Bedeutung im öffentlichen Leben nicht mehr zurück.