nd-aktuell.de / 28.09.1998 / Politik / Seite 3

Wahlhilfe durch Rot-Grün

Jubel nach den ersten Hochrechnungen auf der Berliner PDS-Wahlparty

ND-Foto: B. Lange

Bestätigt fühlen dürfen sich von dem Ergebnis vor allem die Wahlstrategen der PDS. Trotz der massiven Anti-PDS-Kampagne von SPD und Grünen in den letzten Wochen, die gezielt Direktmandate für die Sozialisten verhindern wollten, ist die PDS offenbar wieder in den Bundestag eingezogen. Allen Zweifeln zum Trotz hatten Bisky, Gysi, Brie, Bartsch und andere bis zum Wahltag unerschütterlich an ihrem Optimismus festgehalten.

Sie behielten recht mit ihrer Vermutung, die Ostdeutschen würden sich von den rot-grünen Beeinflussungsversuchen kaum beeindrucken lassen. Gysi hatte angesichts des Müntefering-Trittin-Standardarguments »Wer PDS wählt, wählt Kohl« sogar von einer manipulierten Wahl gesprochen. Ausgezahlt hat sich für die PDS offenbar das jahrelange Bemühen, konstruktive Opposition zu betreiben, die Interessen Ostdeutscher zu vertreten, Vorschläge für mehr soziale Gerechtigkeit zu entwerfen und sich in entscheidenden Fragen wie Lauschangriff und Asylrecht klar von der Sozialdemokratie abzugrenzen. Das hat Anerkennung auch in den alten Bundesländern gefunden.

Zu einem guten Teil können sich die PDSler für ihren Wahlerfolg bei SPD und Grünen bedanken. Vor allem SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering hatte es über Monate hinweg verstanden, die drei Buchstaben PDS zum Tabu zu erklären - im Gegensatz zum '94er Wahlkampf, als sich Kanzlerkandidat Scharping das PDS-Thema von der Union widerstandslos hatte aufdrängen lassen und die PDS so zu höchst willkommener Wahlwerbung gekommen war Diesmal spitzten die SPD-Strategen die Auseinandersetzung auf die Personalentscheidung Kohl gegen Schröder zu, und im Karl-Liebknecht-Haus raufte man sich schon die Haare, weil man nur schwer ins öffentliche Gespräch kam. Doch zwei Wochen vor der Wahl verlor die SPD-Zen-

trale die Nerven - angesichts knapper werdender Umfrageergebnisse ging man dazu über, massiv potentielle PDS-Wähler zu agitieren und überschritt dabei offenbar die Grenze des Zumutbaren. Gregor Gysis Vermutung, SPD und Grüne hätten es übertrieben und genau das Gegenteil erreicht, scheint sich bewahrheitet zu haben.