nd-aktuell.de / 28.09.1998 / Politik / Seite 8

Wer nicht wählt, der versündigt sich

Ein anderer Kirchenhierarch, Erzbischof Zycinski aus Lublin, wies in einem Hirtenbriefdaraufhin, daß keinesfalls durch Abwesenheit bei den Wahlen gesündigt werden dürfe. Es gehe schließlich darum, gottlosen Gesellen den Weg zur Macht in Gemeinden, Kreisen und Wojewodschaften zu versperren.

Es- bleibt allerdings fraglich, ob die frommen Menschen diesen Rufen folgen. Die Kirchenführer erlitten nämlich am 14. September eine bittere moralische Niederlage: die umstrittenen Kreuze auf dem Kiesfeld des ehemaligen KZ Auschwitz, die auf ihr Geheiß an diesem Tage entfernt werden sollten, stehen immer noch - und es werden sogar mehr

Auch Ministerpräsident Jerzy Buzek mußte eine Blamage einstecken. Er zeigt sich zwar neuerdings als starker Mann auf dem Truppenübungsplatz Swietochow feuerte er aus einem T-92-Panzer einen Schuß ab -, doch der fiel genauso ins Leere wie sein Propagandacoup im öffentlichen Fernsehen. In einem Werbespot hatte sich der Premier als Ansager

für sein »großes Reformwerk« produziert. Als die aus Haushaltsmitteln finanzierte »Reformreklame« ausgestrahlt wurde, umrahmt von Spots für etliche Waschpulver und Allways, lachte sich das Fernsehpublikum fast kaputt. Buzek sah die Lächerlichkeit seines Feldzugs ein und verzichtete auf solchen Wählerfang. Überhaupt sei ja noch nicht ganz klar, wie die Reformen tatsächlich anspringen, meinte vor wenigen Tagen der »Reformminister« Prof. Kulesza. Zwar seien die Befugnisse der Räte auf den verschiedenen Stufen einigermaßen festgelegt, aber das Allerwichtigste, nämlich die Verteilung der Steuereinnahmen, bleibe schleierhaft. Damit bestätigte der Minister von der Freiheitsunion (UW) die Richtigkeit der Vorbehalte des Linksbündnisses SLD-Bei dieser »Reform« wurde der Wagen vor die Pferde gestellt.