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msm Das Aus für Vladimir Meciar?

Die Linke entscheidet über künftige Regierung Von Martin Schwarz, Bratislava

  • Lesedauer: 3 Min.

Das aus fünf Parteien bestehende Oppositionsbündnis Slowakische Demokratische Koalition (SDK) konnte bei den Parlamentswahlen am Freitag und Samstag doch nicht den erwarteten Triumph über Premier Meciar erzielen.

Zwar hatten Umfragen wenige Tage vor dem Urnengang der SDK einen sicheren Vorsprung vor Meeiars Bewegung für eine demokratische Slowakei (HZDS) vorhergesagt, doch dieser Vorsprung schmolz während der beiden Wahltage dahin. Laut vorläufigen Wahlergebnissen konnte die HZDS landesweit 27,1 Prozent der Stimmen erreichen, dahinter folgt die SDK mit 26,33 Prozent.

Dabei' knallten in der SDK-Zentrale schon Samstag gegen 19 Uhr die Sektkorken. Man glaubte, den Angstgegner Vladimir Meciar endlich niedergerungen zu haben, und Jan Carnogursky, Chef der in der SDK aufgegangenen Christlich-demokratischen Partei (KDH), gab freudestrahlend ein inoffizielles Endergebnis bekannt, das dann doch keines war- Nach internen Rechnungen hätten die SDK zu 30,6 Prozent und die Meciar-Partei nur 22,8 Prozent erzielt. Nun kommt es auf die Geschicklichkeit bei der Suche nach Koalitionspartnern an.

Sicher ist der SDK die Unterstützung der Partei der bürgerlichen Eintracht (SOP) des populären Bürgermeisters von Kosice, Rudolf Schuster Aber auch der Senkrechtstarter der slowakischen Politik mußte einen deutlichen Dämpfer hinnehmen. Statt den erwarteten 15 Prozent konnte seine SOP nur 8 Prozent der Stimmen einheimsen. Dementsprechend ernst wirkte der Krimiautor und immer lustige Hobbysänger Schuster am Wahlabend: »Ich habe mein persönliches Wahlziel verfehlt.«Doch er bereue gar nichts, denn der bisherigen Opposition sei mit seinen Stimmen auf jedem Fall geholfen. Ein weiterer sicherer Koalitionspartner ist die »Ungarische Koalition« (SMK), die - ganz dem Anteil der ungarischen Minderheit an der Bevölkerung entsprechend - 9,12 Prozent erhielt.

Wenn die noch gestern begonnenen Koalitionsgespräche zwischen SDK, SOP und SMK erfolgreich sind, kann die Opposition im künftigen Parlament mit 69 Mandaten rechnen - zuwenig, um im 150köpfigen Parlament eine Mehrheit zu-

stande zu bringen. Also bleibt die Partei der demokratischen Linken (SDL) als heißumworbener Partner Sowohl Vladimir Meciar als auch die Opposition bemühen sich emsig um die Partei, die mit 14,66 Prozent auf 24 Mandate im slowakischen Parlament hoffen kann. Gemeinsam mit der Linken käme die Opposition dann auf 93 Mandate. Ein Traumziel, denn mit dieser Mehrheit könnten auch Verfassungsänderungen wie die Direktwahl des Präsidenten in Angriff genommen werden. Doch die SDL läßt sich vorerst noch bitten. Schon jetzt hat sie angekündigt, sich erst auf dem nächsten Parteitag -in knapp drei Wochen auf die künftige politische Linie festzulegen. In diesen drei Wochen wird die SDL sowohl von Vladimir Meciar als auch von der Opposition verlockende Angebote erhalten, doch einer ist da im Vorteil: Meciar kann mehr versprechen als die aus vielen Parteien bestehende Opposition.

Gelingt es Meciar, die SDL zu ködern, wird es im slowakischen Parlament zu einer skurrilen Koalition kommen: Neben Meeiars HZDS und der SDL würde dann auch die rechtsextreme Slowakische Nationalpartei« (SNS) des Politrabauken Jan Slota wieder Regierungsverantwortung tragen. Diese Notkoalition könnte dann in Bratislava 81 Mandate vorweisen.

Doch noch ist völlig unklar, wer wem wann den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt. Die Slowakei verfügt bloß über ein interimistisches Staatsoberhaupt namens Vladimir Meciar. Er könnte also theoretisch sich selbst mit der Regierungsbildung beauftragen. Befugt ist au-ßerdem der slowakische Parlamentspräsident Ivan Gasparovic - ein treuer Anhänger Meeiars. Es ist also gut möglich, daß der umstrittene Premier sich nochmals eine vierjährige Amtszeit gönnt. Schließlich hat er es seit 1994 geschafft, ein dichtes Netz an Machtstrukturen zu knüpfen, das nun vom Zusammenbruch bedroht ist. Die Opposition hat schon angekündigt, im Fall einer geglückten Regierungsbildung so ziemlich alles in Frage zu stellen, was der HZDS-Chef in den vergangenen vier Jahren angepackt hat. So möchte die neue Regierung vor allem sämtliche Privatisierungen der Meciar-Ära überprüfen und das slowakische Staatsfernsehen von den vielen Meciar-Anhängern befreien.

SDK-Chef Mikulas Dzurmda (I.) erhebt Anspruch auf die Regierungsbildung

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