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Co-Management statt Konfrontation

Studie Arbeit von Betriebsräten in ostdeutschen Metallbetrieben: Zu hohe Kompromißbereitschaft Von Christoph Ruhkamp

  • Lesedauer: 3 Min.

Unter dem Druck des Arbeitsplatzabbaus sahen und sehen sich viele Betriebsräte in ostdeutschen Metall betrieben als Co-Manager. Sie gehen deshalb, unter anderem bei Lohnverhandlungen, tarifwidrige Kompromisse ein, ergab eine Untersuchung im Auftrag des DGB.

Diejenigen, die heute im Organisationsbereich der IG Metall im Osten als Betriebsräte tätig sind, haben ihren Job während des Strukturwandels nach der Angliederung der DDR an die BRD gelernt. Die hohe Erwerbslosigkeit zwang sie zu Strategien, die im Widerspruch zu klassischer Gewerkschaftspolitik stehen. Das ergab eine von der Hans-Böckler-Stiftung finanzierte Studie. Wesentliche Ergebnisse daraus wurden bei einem Treffen der Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt (Kowa) an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) Ende letzter Woche vorab veröffentlicht.

»Ostdeutsche Betriebsräte sind oft hoch qualifiziert, meist Ingenieure, und an der Gestaltung der Produktionspro-

zesse im Betrieb sehr interessiert«, betonte Studienautor Hinrich Garms von der Freien Universität (FU) Berlin, der in den letzten drei Jahren ausführliche Interviews mit 30 Metallbetriebsräten geführt hatte. Die meisten der befragten Arbeitnehmervertreter sahen die Notwendigkeit von Investitionen und gingen daher unter dem Druck des Kapitalmangels ihrer Betriebe Kompromisse ein vor allem bei Gehaltsverhandlungen (durch Tarifabweichungen), bei Arbeitszeit und neuen Produktionsstrukturen.

Insgesamt folgte die Mehrheit der ostdeutschen Betriebsräte einer Strategie des Co-Managements statt der Konfrontation. So machten sie oft eigenständige Vorschläge zu Produktpalette, zu Kapitalaufstockung und Produktinnovation. Für den - mitunter nur vermeintlichen -Erhalt ihres Betriebs opferten sie auch Grundzüge der Gewerkschaftspolitik wie die Einhaltung des Flächentarifs. Wie auch im Westen der Republik ist dies unter anderem auf eine sehr deutliche Trennung betriebsrätlicher und gewerkschaftlicher Arbeit zurückzuführen.

Sehr zum Ärger der IG Metall: »Das ging bis zur äußersten Grenze unseres Selbstverständnisses«, meinte Günter Kohlbacher, IG Metall-Bevollmächtigter in Frankfurt (Oder). Unter anderem habe das dazu geführt, daß ein »Viertel der

Metallarbeiter im Osten unter Tarif bezahlt wird«. Um den Ausnahmen vom einheitlichen Flächentarif - die eine Abwärtsspirale in der Konkurrenz bei Lohn, Arbeitszeit und Überstunden in Gang setzten - entgegenzutreten, forderte Kohlbacher eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes (BVG), die »schon längst überfällig« sei.

Durch Lean-Management, Outsourcing und Globalisierung sei das Mandat der Betriebsräte zur Vertretung ihrer Kollegen inzwischen viel zu sehr eingeschänkt, begründete Kohlbacher Sie würden längst nicht mehr alle vertreten, die sie vertreten müßten. Und die Gewerkschaft habe kein rechtliches Mandat, gegen Tarifbrüche vorzugehen, das müßten die allerdings eingeschüchterten - Beschäftigten noch immer als Privatpersonen selbst in die Hand nehmen.

Ziele einer Modernisierung der Betriebsverfassung wären nach Meinung von DGB-Gewerkschaften: Die Erweiterung des Betriebsbegriffs von der »räumlichen Nähe« auf »organisatorische Verbundenheit«. Die Erweiterung des Arbeitnehmerbegriffs von »persönlicher« auf »wirtschaftliche« Abhängigkeit (Scheinselbständige). Und der Vorrang tariflicher Regelungen vor Betriebsvereinbarungen sowie das Recht der Gewerkschaft, als Institution gegen Tarifbrüche rechtlich vorzugehen.

Nach den Erfahrungen bei den Umstrukturierungen der Produktionsprozesse in den letzten Jahren legt IG-Metaller Kohlbacher den Schwerpunkt einer BVG-Modernisierung außerdem auf eine Stärkung der Mitbestimmung: Betriebsräte brauchten ein Initiativrecht in wirtschaftlichen Angelegenheiten, um beispielsweise Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung durchsetzen zu können, betont Kohlbacher.

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