nd-aktuell.de / 28.09.1998 / Politik / Seite 10

Angst vor >Virus<

Stehen die Gegner im Sold der Strom-Konzerne? Windkraft Von Reimar Paul

Die Planungen für einen Windpark in Ahlerstedt bei Hamburg liefen problemlos. Die Mehrheit der Bevölkerung war für das Projekt. Auch im Gemeinderat, konstatierte das »Buxtehuder Tageblatt«, herrschte »allgemeine Zustimmung zu den vorgestellten Plänen«. Das war im Sommer 1997.

Inzwischen steht infrage, ob sich die Räder jemals drehen werden. In Ahlerstedt ist eine Initiative gegen Windenergie entstanden. »Wir wollen keine Windkraftanlagen«, heißt es plötzlich. Lärmbelästigung, Elektrosmog, Anstieg der Strompreise, Wertverlust der Grundstücke und anderes werden ins Feld gefühlt. Der Umschwung ist nicht nur in Ahlerstedt zu spüren, und er hat einen Namen: Bundesverband für Landschaftsschutz (BLS) heißt die Organisation, die seit einigen Jahren gegen die Windkraft zu Felde zieht. Der BLS hilft und berät bei der Gründung von »Bürgerinitiativen« und »Interessensgemeinschaften«, vermittelt Rechtsbeistände und Referenten, verschickt Prospekte und Bücher Windkraftanlagen verschandeln die Landschaft und verursachen ohrenbetäubenden Lärm, behaupten die Windenergie-Gegner und verweisen auf den ganz besonders perfiden »Infraschall«, Töne in nicht hörbaren Hertz-Frequenzen, die körperliche Schäden verursachten. Außerdem vertrieben die Windräder Touristen und Vögel. Und überhaupt sei Deutschland das letzte Land, »in dem der Windkraft-Vandalismus noch hem-

mungslos wütet«. Nach Angaben des Bundesverbandes Windenergie (BWE) sind durch die Propaganda der selbsternannten Landschaftsschützer bereits mindestens sechs größere Windkraft-Projekte gekippt worden. So zum Beispiel auch ein Windpark im bayerischen Posseck. Nach »Bürger-Protesten« liegt hier seit Januar der Bau von drei 1,5-Megawatt-Anlagen auf Eis. Angaben der Umweltorganisation Robin Wood zufolge waren im Dezember 1997 die ersten BLS-Flugblätter in der Gemeinde aufgetaucht. Unter der Überschrift »Ein Virus kommt selten allein« seien die geplanten Kraftwerke als »Öko-Heuchelei mit krankmachenden Belästigungen« dargestellt worden. Beim BLS, der auf seinen Publikationen zwar eine Kontaktadresse im schleswig-holsteinischen Emmelsbüll angibt, dort aber weder ein Büro gemietet noch einen Telefonanschluß angemeldet hat, handelt es sich ganz offensichtlich um eine verdeckte Propaganda-Abteilung der Strom- und Atom-Wirtschaft. Die vermeintlichen Landschaftsschützer, sagt etwa BWE-Pressesprecher Ralf Bischof im Gespräch mit ND, seien »das trojanische Pferd der Stromkonzerne«. Und auch für den SPD-Bundestagsabgeordneten und EUROSOLAR-Präsidenten Hermann

Scheer ist der BLS eine Lobby-Truppe der Stromwirtschaft.

Einer der Chef-Demagogen des BSL ist der Rechtsanwalt Thomas Mock, der wahre Horror-Szenarien über die gesundheitlichen Auswirkungen der Windmühlen entwirft: Abgerissene Rotorblätter, die wie wildgewordene Granaten durch die Luft jagten, Mensch und Tier gefährdeten. Und dann dieser »monotone Lärm - wub, wub, wub«. Mock ist nach Robin Wood-Informationen im Hauptbe-