Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

Abschied

  • Heinz Schumacher, Bendorf7Rhein
  • Lesedauer: 2 Min.

Olympia Seoul 1988. »Ich sage gar nichts, bis die Ergebnisse der Dopingkontrolle vorliegen«, schnaubte die US-Sprinterin Evelyn Ashford als geschlagene Exolympiasiegerin nach dem furiosen 100-m-Lauf-Sieg ihrer Landsmännin Florence Joyner-Grifßth. Im Olympischen Dorf und im Olympiastadion drehte ich damals einen Videokurzfilm mit »Flo-Jo«. In einem meiner alten Notizbücher entdeckte ich nun noch folgende Zeilen.

»Was ist das für eine Frau, das Glamourgirl Nummer 1 des Weltsports fromm und lebenslustig zugleich, voller kindlicher Naivität und zugleich weiblicher List, anrührend in ihrer Sanftheit, aber zugleich so etwas wie ein brodelnder Vulkan mit Reißverschluß, gelegentlich ein ahnungsloser Engel, aber auch wiederum mit orientalischem Geschäftssinn ausgestattet, fest im Glauben und fest im Fleisch. Die mannigfaltigsten Entwürfe der Weiblichkeit sieht man in ihr vereint.« Von ihrem Ehemann und Trainer AI Joyner erfuhr ich bei dieser Gele-

genheit. in Seoul, er habe zu Hause und auf dem Trainingsplatz gemäß dem Bibelwort »Er soll dein Herr sein« das absolute Sagen. Hatten nicht Kritiker der farbigen Schönheit früher behauptet, Florence benötige für ihre Zunge einen Waffenschein? »Eheherr« AI Joyner war die Zähmung der Widerspenstigen fast vollkommen gelungen.

Man glaubte es der attraktiven jungen Dame aufs Wort, wenn sie behauptete, eine kluge Frau könne niemals durch Komplimente entwaffnet werden, ein Mann immer' Was sie Kindern bei ihren Vorträgen in Schulen einzutrichtern versuchte, war auf diesen Nenner zu bringen: Setzt Lernen immer an die erste Stelle und Sport an die zweite! Sie wußte übrigens genau: Physische Schönheit ist nicht unbedingt ein Ausweis von Noblesse im Denken.

Flo-Jo verstarb vor acht Tagen an einem Schlaganfall, 38 Jahre alt. Vorgestern wurde sie beigesetzt. Auch wenn nun wieder Dopingerüchte ins Kraut schießen: Evelyn Ashford mußte schon damals zur Kenntnis nehmen, was jetzt Schnüfflern und Argwöhnern die Lust am Verdächtigen nehmen sollte - alle Proben verliefen negativ Den Schlußsatz meines 1988er Features über die Begegnung mit Florence Griffith in Seoul halte ich -jetzt in der Vergangenheitsform - aufrecht. Sie war der Prototyp der Natur in ihrer bezauberndsten Erscheinung, der Menschenfrau.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal