nd-aktuell.de / 07.10.1998 / Kultur / Seite 2

edition ost

Buch akribisch aufgelistet. Über Kinderbuchverlag, Magazin und Eulenspiegel zunächst bekannt, später berühmt geworden, ist Bofinger heute eine Berliner Institution; eine Institution mit Gemüt, Selbstironie und dem sogenannten unverwechselbaren Strich. Was dem 1941 Ge-

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borenen im Alter von fünf bis zehn Jahren vor die Augen kam, was ihm und seinen Kinderfreunden zustieß, wie aus der Rotzlöffelperspektive die Welt der Erwachsenen da oben aussah, hat der Grafiker in 200 literarischen Miniaturen versammelt. Die handeln von Stinkbomben und Katschis, wie Gummischleudern damals (gibt es noch sog. Katapulte?) genannt wurden, von den verschiedenen Onkeln namens Walter und den verschiedenen Berliner Sektoren, vom Gesang, von wüsten Dachböden und nicht selten von großartig autofreien Straßen zum Spielen. Überaus oft beschreibt Bofi so nennen ihn heute Kinder und Freunde - abstehende Ohren, und gar mannigfaltig erzählt er vom Essen: Mohnpielen, Ochsenschwanzsuppe, Musbroten, Fischköpfen. Und von Kartoffelbreibergen:

Manfred Bofinger: Der krumme Löffel. Miniaturen einer Kindheit. Aufbau-Verlag. 240 S., geb. 34 DM.

Die boten großartige Möglichkeiten, Brühe-Seen und -flüsse zu installieren. Bofinger führt uns Wörter vor, die wie von weit her raunen: Ba-

kelit, Igelit, Stupos, Leibchen, Turf, Buntmetallschieber, Schusterkugel, Knallplätzchenrevolver Letztere hießen in meiner Kindergegend Zündplättlpistolen.

Das alles mag jede heute ältere Herrschaft erlebt ha-

ben, aber Bon hat es genossen - und aufgeschrieben. Er ist ganz offensichtlich richtig gern Kind gewesen, und wie er sich an die Zeit vor 50 Jahren erinnert, hat Stil. Im doppelten Sinne. So beschreibt er einfach die Waffen, die Berliner Kinder ein paar Jahre nach Weltkrieg Zwo sich voller Begeisterung bastelten. Gelegentlich wird er im Bemühen, den jeweils letzten Absatz seiner Kurztexte als Pointe zu formulieren, ein bißchen lehrhaft, aber Bofi kann man bekanntlich nicht mal Fehler so richtig ankreiden. Er maust dem Kritiker kurzerhand die Kreide und zeichnet große Hasen, lange Löffel und zu guter Letzt seine eigene Glatze. Auf der dreht er, wenn es sein muß, Locken und nimmt so den kritisierenden Feuilletonisten auf die Schippe.