nd-aktuell.de / 07.10.1998 / Kultur / Seite 9

Heiliger Zorn

Christoph Jünke

Alles über die Finanzen

und die soziale Absicherung für Freiberufler: Krankenund Alteisvorsorge, Steuern, I )arlehen, Immobilien. Versicherungen u.a. 6O57O/DM 16.90/öS 123.-AFr 16.-

ganze Welt zu verbreiten, sie zu globalisieren, anstatt die >Globalisierung< und die Konkurrenz der ökonomisch und sozial weniger entwickelten Länder zum Vorwand für ihre Infragestellung zu nehmen. Nichts ist natürlicher und legitimer als die Verteidigung dieser Errungenschaften, auch wenn manche sie als eine Form des Konservatismus

Pierre Bourdieu: Gegenfeuer. Wortmeldungen im Dienste des Widerstands gegen die neoliberale Invasion. Universitätsverlag Konstanz 1998. 118 S., geb., 18 M.

oder Archaismus hinstellen

wollen.«

Bourdieus Verteidigung des

Sozialstaates gegen die hinterhältigen Mächte des Marktes, die in Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur wüten, gegen den neoliberalen Raubkapitalismus des maximalen Profits und dessen Ideologie als »einer Art fleischgewordener Höllenmaschine«, ist von einem heiligen Zorn getragen. Zorn gegen das Programm der planmäßigen Zerstörung der Kollektive, gegen den Rückzug des Staates aus öffentlichem Wohnungsbau, öffentlich-rechtlicher Medienkultur sowie aus öffentlichen Schulen und Krankenhäusern. Zorn gegen den rechten Neorassismus wie gegen den falschen Universalismus des Abendlandes. Zorn gegen zunehmend prekärere Arbeitsbedingungen und Massenarbeitslosigkeit. Zorn aber auch gegen die depolitisierenden Medien mit ihrer demagogischen Vereinfachung, die »lieber einen Streit als eine Debatte, lieber Polemik als Dialektik«, lieber »Konfrontation zwischen

Personen ... als zwischen ihren Argumenten« senden. Und schließlich gegen die staatliche und intellektuelle Technokratie (Bürokratie und Journalisten) und ihre sich eilfertig, unterordnenden subalternen Intellektuellen. Intellektuelle, Gewerkschaften und Verbände müssen ihre Kämpfe »vor allem gegen den Niedergang des Staates richten« und sich bedingungslos mit den neuen grenzüberschreitenden sozialen Bewegungen streikender Arbeiter, protestierender Arbeitslosengruppen und demonstrierender Studenten solidarisieren. Intellektuelle sollten helfen, »die Voraussetzungen für den kollektiven Entwurf einer sozialen Utopie zu schaffen«. Die Hoffnung, so Bourdieu weiter, liegt jedoch in zunächst defensiven Kämpfen gegen die Schleifung der »alten Ordnung«. Und er meint: Aus den »konservativ« wirkenden, sich gegen die Macht der »neuen Ordnung« stellenden Kräften können Kräfte des Widerstandes, subversive Kräfte werden.

Pierre Bourdieu spricht politischen Klartext. Diesen französischen Linksintellek tuellen braucht das aufbegehrende Europa.

Rccmtsina von seinen Entführern in einem Keller gefangengehalten. Dies ist sein aufsehenerregender Bericht über diese Zeit. «Wann hat es das je gegeben, daß das Opfer einer Entführung derart reflexionsfähig gewesen wäre wie Jan Philipp Reeintsma?» Der Spiegel

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