nd-aktuell.de / 07.10.1998 / Kultur / Seite 15

edition ost

ne Konkurrenz gäbe es keine Entwicklung, statt Entwicklung nur Agonie - sagen die einen. Die anderen, zu denen sich Köhler freimütig bekennt, halten die mechanisch-materialistische Motivation, die Ellbogengesellschaft des Kapitals für untauglich, sie existiere und expandiere nur noch aufgrund eines ungeheuren Raubbaus an Natur- und Menschenreserven, der Kollaps drohe. Die hektische Demontage der DDR, die verzweifelte Zurücknahme des Sozialismus und die Verketzerung jeglicher Alternative, ist für Köhler ein deutliches Zeichen dafür, »daß die Händler und Geldwechsler selbst in Zeitnot geraten sind«.

Es sind eigenwillige Sentenzen, die meist ins Schwarze treffen, doch nicht nur ins schwarze Lager, auch ins zerstrittene rote. So meint Köhler beispielsweise: »Wer als Sozialist, nur das gegenwärtig Machbare im Blick, für das Recht auf Erwerbsarbeit streitet, tut ein gutes Werk; Anspruch auf Originalität hat er damit nicht. Ein dritter Weg hat retardierenden Effekt. Als solcher mag er Zeitgewinn schinden. Kommt Zeit, kommt Rat. Aber wie lange hält Mutter Erde das noch aus?« Immerhin wird trotzdem durchaus hoffnungsvoll Aufklärerisches und Einigendes im gegenwärtigen Jammertal gesichtet: »Inzwischen haben die Ex-DDR-Bürger, vom Arbeiter bis hinan zu den ästhetisierenden Geistesgrößen, mitgekriegt, daß Kapitalismus genauso aussieht, wie er in den Schulbüchern beschrieben wurde, auch wenn er sich inzwischen andere Etiketten zugelegt hat.«

Genug Stoff zum Streit, denk ich, und hoff mit dem Autor auf solidarische Nachdenklichkeit.

Es kann der Politik nicht bekommen und wird der Demokratie mit Sicherheit schaden, wenn Politik auf die Dauer zum Theater wird.« Politik ist Theater Politikwissenschaftler Thomas Meyer, Dortmund, untersucht Rituale politischer

(Selbst-)Darsteller, entwirft ein Bild verwickelter wie verhängnisvoller Vernetzung von politischer Aktion und medialer Präsenz. Es entstehen Kurzporträts der heutigen Parteien und ihrer öffentlichen Helden in einer »Inszenierungsgesellschaft«, in der die politische Öffentlichkeit droht, zu einem Spiegelkabinett zu werden, das die Welt aus den Augen ver-

Was ist Philosophie?« fragte ein Magazin um die letzte Jahrhundertwende und antwortete: »Philosophie ist die systematische Verdrehung einer eigens zu diesem Zwecke erfundenen Terminologie.« Man kann sich in der Tat des Eindrucks nicht erwehren, daß viele philosophische Texte nach diesem Muster gestrickt sind. Und außerdem, meint Hartwig Schmidt, ist den Autoren zeitgenössischer philosophischer Werke die eigene Darstellung ungleich weniger wert als die Referenz vor den Großen ihres Faches: »Der eigene Gedanke wird minimiert, um das Ausstellen von Gelehrtheit und intimer Kenntnis maximieren zu können.« Nicht Philosophen, sondern Philosophie-Interpreten bestimmten den intellektuellen Diskurs in Deutschland.