nd-aktuell.de / 07.10.1998 / Politik / Seite 2

Lost Rot-Grün den IWF auf?

Rainer Falk

Vorstandsmitglied der Bonner Nichtregierungsorganisation »Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung« (WEED), die unter anderem Politikberatung betreibt.

Foto: Joker/Lohmeyer

? Sie haben - zu seiner gestern begonnenen Jahrestagung - vorgeschlagen, den Internationalen Währungsfonds (IWF) in mehrere dezentrale Regionalfonds aufzulösen. Hieße das nicht, die als nicht reformierbar geltende Institution in mehrere kleine IWFs zu teilen?

Nein. Regionalfonds haben wir deshalb vorgeschlagen, weil wir denken, daß sie eher in der Lage sind, flexibel auf Finanzkrisen zu reagieren. Auf regionaler Ebene wäre es leichter, die unmittelbar beteiligten und betroffenen Länder gleichberechtigt in das Krisenmanagement einzubeziehen. Entscheidend wäre, daß sie ihre Hilfestellung, die sie im Falle von Zahlungsschwierigkeiten leisten, nicht wie bislang der IWF mit neoliberalen Auflagen und Konditionen verknüpfen. Ohnehin entsprächen regionale Fonds der regionalen Struktur unserer Weltwirtschaft besser

? Welche Asymmetrien in der Funktionsweise des alten IWF müssen dabei beseitigt werden?

Aus unserer Sicht käme es entscheidend darauf an, gleiche Regeln für Schuldner und Gläubiger, für Süden und Norden festzulegen und nicht eine Seite, also den Norden oder private Gläubiger-

banken, zu bevorzugen, wie das derzeit der Fall ist. Bei der Asienkrise ist es ganz offensichtlich. Die privaten Banken und Investoren sind dort ein hohes Risiko eingegangen, aber nicht sie müssen dafür geradestehen. Die Rückzahlung der Schulden wird zu Lasten der Bevölkerungen sozialisiert.

? IWF-Politik wird ja von den Regierungen der großen Industriestaaten gemacht. Könnte sich da unter der künftigen rot-grünen Regierung in Deutschland etwas ändern?

Das betrifft im wesentlichen die Zuständigkeit des Finanzministeriums, und als neuer Finanzminister ist Oskar Lafontaine vorgesehen. Da erwarten wir, daß er nicht nur - wie vor der Wahl den Neoliberalismus in der deutschen Wirtschaftspolitik anklagt und kritisiert, sondern daß die neue Regierung aufhört, den Ländern des Südens eine derartige Politik über den IWF vorzuschreiben.

? WEED hat in der Vergangenheit auch Grünen-Politiker beraten. Werden wir Ihre Ansätze in der Politik der neuen Bundesregierung wiederfinden?

Wir haben nicht nur Grüne beraten, sondern auch sozialdemokratische und PDS-Politiker Man wird die Koalitionsverhandlungen abwarten müssen, inwieweit sich Positionen, wie sie die Nichtregierungsorganisationen der Bundesrepublik, darunter auch wir, vertreten, im Regierungsprogramm widerspiegeln. Etwa in der Frage der Entschuldung. Da erwarten wir ganz schnelle und eindeutige Signale von der neuen Bundesregierung, daß sie mit der Blockadehaltung, die die alte Regierung an den Tag gelegt hat, Schluß macht. Beide Parteien haben ja deutliche Aussagen dazu in ihren Programmdokumenten. Ansonsten muß man sicher davon ausgehen, daß auch bei einem Regierungswechsel sich positive Veränderungen nicht unbedingt im Selbstlauf durchsetzen. Man wird auch die neue Regierung gegebenenfalls an ihre Versprechungen und programmatischen Aussagen erinnern müssen. Auch eine sozial-ökologische Bundesregierung braucht den Druck von unten für Veränderungen.

Fragen: Thomas Ruttig