nd-aktuell.de / 07.10.1998 / Politik / Seite 19

Tempodrom trotzt als »gallisches Dorf«

Zelte werden in Gesamtkunstwerk verwandelt Von Siegfried Heidemann

»Alarm!«, verkünden Plakate am Tempodrom, »Die spinnen, die Bonner!« Gemeint ist das Bundesbauministerium, zu dessen früherem Chef Klaus Töpfer rnan »einen guten Draht« gehabt habe. Wie man ihn sich nun über den neuen SPD-Bundes-Kultur-Mann Naumann - der kennt das alte Tempodrom wie die Projekte fürs neue am Anhalter Bahnhof auch zu Gerhard Schröder verspriqht. Aber, sagt Kabarettist Arnulf Rating, Stiftungsratsvorsitzender fürs neue Tempodrom, Absichten oder Zusagen der Politiker sind das eine ... Man muß die Zelte

»In den Zelten«, wo bald die sogenannte »Südallee« vom nahen neuen Kanzleramt aus verlaufen soll, räumen. Dafür wurde mit der Bundesregierung über eine Entschädigung verhandelt. Durchaus üblich bei innerstädtischen Verlagerungen, wurde gestern auf einer von Tempodrom-Chefin Irene Moessinger einberufenen Pressekonferenz wieder gesagt.

Das Tempodrom ist im Besitz gültiger, unwiderrufener Pachtverträge und Baugenehmigungen »In den Zelten« im Tiergarten und insofern nicht ohne weiteres zu vertreiben. Es forderte als Entschädigung acht Millionen Mark, ein Viertel der Finanzierung des neuen, stabileren Baus in Kreuzberg, der besser schallisoliert sein muß. Tatsächlich wurden dem Tem-

podrom vor einiger Zeit sieben Millionen in einer gemeinsamen Beratung mit Bund und Land Berlin zugesagt. Dies geschah mündlich. Schriftlich hieß es dann, das sei nie so besprochen worden. Und Bonn kehrte zu einem vorherigen »Angebot« von vier Millionen zurück. Irene Moessinger aber hat Kopien eines Briefwechsels von Bund und Senat über jene sieben Millionen.

Über dem Tempodrom schwebt das Damoklesschwert einer Räumungsklage, die allerdings noch nicht rechtskräftig ist. Mitte Oktober sollte witterungsbedingt ohnehin Schluß sein. Nun bleiben die Zelte als Vorsichtsmaßnahme stehen. Seit gestern sind 40 Maler, Bildhauer und Objektkünstler einschließlich der Galeristin Ingrid Raab am Werke, den Zaun zu bemalen, in den Zelten zu modellieren, die Masten für Licht- und Tonobjekte zu nutzen. In den Zelten im Tiergarten entsteht ein schwer einnehmbares Kunstgelände.

Ab 21. Oktober wird es auf mehrere Tage mit mancherlei Veranstaltung und Ausschank eines »Zaubertrankes« nach Vorbild der Taten von Asterix und Obelix zum widerstandsfähigen »gallischen Dorf« in Berlin kontra Bonner Bürokratie.