Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

Plakate von gestern

  • Rainer Funke
  • Lesedauer: 2 Min.

Wochenlang gehörten Plakate mit ungewöhnlich freundlich dreinschauenden Politikern zum alltäglichen Stadtleben. Mit dicken Bakken, langen Nasen, weißen Zähnen, merkwürdig ehrlichen Blicken und entsetzlich frommen Sprüchen wollte man uns ein/zwei Stimmen entlocken.

Das hat nun mit der Wahl ein vorläufiges Ende gefunden. Dem Himmel sei Dank dafür Die Plakate haben ihre Schuldigkeit getan. Und können deswegen in Kellern, Museen, auf Dachböden,

Komposthaufen, Müllhalden verschwinden. Nichts ist vergänglicher und so nichtssagend wie ein Plakat von gestern. Und wenige Köpfe wollen wirklich daran erinnert werden, was dereinst in oft allzu schlichten Losungen versprochen wurde.

So weit, so auch gut. Denn die Basistruppen und -firmen der Parteien waren diesmal fleißiger als gewöhnlich und haben die Stadt rasch entplakatiert. Nun springt uns wieder Werbung pur an, entpolitisiert und euphorisch, wieder Camel zu kaufen, nur nach Gurgelwasser zu hauchen, das rechte Waschmittel zu gebrauchen, nicht ohne neue Schuhe zu laufen, Whiskey zu trinken...

Nicht überall indes ist das Werk der Entplakatierung auch wirklich gelungen. In der Straße Alt Friedrichsfelde etwa bleibt uns auch weiterhin der massenweise Anblick von Plakaten ohne

Köpfe, aber mit Dumpfsprüchen der Neonazi- und rechtsextremistischen Parteien nicht erspart.

Was vor der Wahl zur Zumutung geriet, ist es danach nicht minder Nicht einmal der allerhand gewöhnten Berliner Stadtreinigung wäre zuzumuten, solch plakatierten gedanklichen Schutz wegzuräumen. Auch Jungsozialisten und Autonome sollen abgewinkt haben: Sie wollen sich mit solchen Plakaten nicht erwischen lassen. Und die Hoffnungsträger der Szenekunst, die Graffiti-Sprayer, haben zur allgemeinen Verblüffung solche Plakate noch nicht als Zuspray-Leinwand entdeckt.

Da die Rechtsextrempolitiker kaum ihre Werbesprüche selbst entfernen werden, erwartet man von den Herbststürmen, daß sie endlich mal ein gutes Werk tun. Und nicht immer nur die Feuerwehr in Atem halten.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal