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  • Politik
  • i–im Schröder will mit den

Grünen »Wetten, daß ...« spielen

Forderung nach Stärkung der »neuen Mitte« weckt Hoffnungen bei der FDP Von Claus Dümde

  • Lesedauer: 3 Min.

SPD und Grüne bilden die Bundesregierung, doch Kontroversen in zentralen Fragen lassen sich nicht mehr verdekken. Kanzler Gerhard Schröder reagiert wie ein Showmaster: Er attackiert den Partner und bietet zugleich jede Wette an, daß die Koalition bis 2002 hält.

Er könne diese Wette gar nicht verlieren, weil er etwas dafür tun werde, sagte Schröder im am Sonntag ausgestrahlten ZDF-Interview Des Kanzlers flapsige Äußerung, die Grünen brauchten »mehr Fischer und weniger Trittin«, setzte der Bundesumweltminister nicht nur entgegen: »Ich pflege meine Jobs zu Ende zu bringen.« Bezugnehr mend auf die von Schröder kurzfristig entschiedene Vertagung der Atomrechtsnovelle, die den im rot-grünen Koalitionsvertrag festgeschriebenen Ausstieg aus der Kernenergie einleiten sollte, sagte Trittin: »Wenn politische Vereinbarungen in der Sache und im Verfahren eine Halbwertzeit von Stunden haben, dann ist es sehr schwer, eine Koalition erfolgreich zu führen.«

Damit sprach der langjährige Vorstandssprecher der Grünen, der schon

als Minister in Hannover häufig mit Schröder als Regierungschef aneinander geriet, an, was derzeit ein Hauptproblem von Rot-Grün ist. Jede Koalition verliert an Ansehen und untergräbt ihre eigene Mehrheitsfähigkeit, »wenn sie Differenzen und Probleme nicht rational austrägt, sondern öffentlich inszeniert« (Trittin).

Genau das aber tut Schröder, zuweilen geradezu genüßlich. Und nicht nur sein Nachfolger in Niedersachsen, auch sozialdemokratische Bundespolitiker eifern ihm nach. Selbst SPD-Chef Oskar Lafontaine entschied ja nach'dem Debakel der Grünen in Hessen und dem Verlust der rot-grünen Mehrheit im Bundesrat in eigener Machtvollkommenheit, daß das »Projekt Doppelpaß« zugunsten der Suche nach einem »breiten Konsens« aufgegeben werden müsse.

Daß solch ein Stil den Koalitionspartner auf die Palme bringt, kann nicht verwundern. Zumal es dabei offensichtlich nicht nur darum geht, nolens volens Konsequenzen aus dem Verlust der Bundesratsmehrheit zu ziehen. Schröder betonte in seinem jüngsten Interview, er stebe vor allem an, »die Basis für die Politik (zu) verbreitern, die wir wollen«. Er wolle »keine Lager bilden«, sondern »arbeite daran, daß es nicht zu einer Spaltung der Gesellschaft kommt«. Die »neue Mitte« als Konsens »aller de-

mokratischen Parteien«, inklusive CSU? Trittin hat dazu eindeutig Position bezogen: Wenn sich Bedingungen aufgrund von Wahlen ändern, dürfe dies »nicht dazu führen, daß Kompromisse nur auf Kosten des kleineren Koalitionspartners gefunden werden«. Und Grünen-Vorstandssprecherin Gunda Röstel, beileibe keine »linke Ideologin«, forderte die Sozialdemokraten auf, Probleme nicht länger vor der Tür des Koalitionspartners abzuladen. Dies könne keine Erfolgsstrategie nach der verlorenen Hessenwahl sein. Vielmehr müßten beide Koalitionspartner in Bonn gemeinsam vorgehen. Von der SPD verlangte Frau Röstel »mehr Berechenbarkeit«. Die Grünen hätten dies unter Beweis gestellt, seien aber »nicht grenzenlos strapazierbar«.

Das ist der Punkt. Schröders Angebot, darauf zu wetten, daß die Koalition bis zum 'Ende der Legislaturperiode hält, heißt nicht, daß er die Koalitionsvereinbarungen zwar langsamer als gedacht, aber konsequent umsetzen will. Vielmehr steht dahinter eine Spekulation, die FDP-Chef Wolfgang Gerhardt so formulierte: »Machtgeil« seien die Grünen, bereit »Kreide zu fressen, daß es nur so stiebt«. Für Gerhardt verbindet sich das mit einem klaren Kalkül: Zerbricht die Koalition doch, steht die FDP als Juniorpartner für ein »Tony-Blair-Modell« bereit.

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