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  • Politik
  • IUIHiHiM'H 400 Kurden vor

neuer Einzelfallprüfung

Für viele weder Schutz noch Bleiberecht gesichert Von Gerhard Klas, Düsseldorf

  • Lesedauer: 3 Min.

Obwohl das Innenministerium Nordrhein-Westfalens neue »Einzelfallprüfungen« zugesagt hat, harren mittlerweile 400 kurdische Flüchtlinge im Wanderkirchenasyl aus.

Zwar haben sie Ende Januar nach einem halben Jahr Verhandlungsdauer dem Angebot des Innenministeriums zugestimmt, erneut als »Einzelfälle« geprüft zu werden. Doch damit ist weder ein Bleiberecht für alle 400 garantiert, noch das Ende des Wanderkirchenasyls eingeleitet. Zu dieser Einschätzung kommt das Kölner Netzwerk »Kein Mensch ist illegal«.

Nach dessen Angaben unterscheiden sich die neuerlichen formal überhaupt nicht von herkömmlichen Einzelfallprüfungen, die die meisten der Flüchtlinge schon über sich ergehen lassen mußten. Dieses Angebot setze die Kurden »der Willkür der jeweiligen Ausländerbehörden« aus, heißt es in einer Stellungnahme. Zudem werden nur die zuletzt in NRW gemeldeten Flüchtlinge der Prozedur unterzogen, in der sie detailliert Fluchtgründe benennen müssen.

Die Ausländerbehörden entscheiden anschließend über die »Asylrelevanz« der vorgebrachten Gründe. »Die Einzelfallauslese durch die nordrhein-westfälischen Ausländerämter - hier müssen wir keine Propheten bemühen - wird viel zu viele ohne Schutz und Bleiberecht lassen«, resümiert »Kein Mensch ist illegal«.

Ein großer Teil der Flüchtlinge im Wanderkirchenasyl kann sich selbst an diesem dünnen Strohhalm nicht festhalten: Knapp ein Drittel der Kurden war zuletzt nicht in NRW gemeldet. In einem Brief stellt der Düsseldorfer Innenminister seinen Amtskollegen in den anderen Ländern lediglich eine ähnliche Prüfung »anheim«. Unterdessen wiederholt sich in anderen Bundesländern das Kölner Vorbild: Im Januar haben mehrere kurdische Flüchtlingsfamilien in einer Göttinger Kirche Zuflucht gefunden.

Im Herbst hatten'die Flüchtlinge das Angebot des NRW-Innenministeriums noch abgelehnt. Daß sie es nun angenommen haben, ist vor allem seiner »zermürbenden Hinhaltetaktik« geschuldet, erklären 38 Prominente, unter ihnen Beate Klarsfeld und Günter Grass, in einer Anzeigenkampagne. Auch die Ausländerbehörden ließen kaum eine Gelegenheit aus, die seit Januar 1998 von Gemeinde zu Gemeinde ziehenden Flücht-

linge mit Verhaftungen und Abschiebedrohungen unter Druck zu setzen.

Die Leitung der evangelischen Kirche im Rheinland trug dem Netzwerk zufolge ebenfalls zum Scheitern der Forderung nach Abschiebestopp und einer Gruppenlösung für alle Kurden im Wanderkirchenasyl bei. Andernfalls hätte eine reale Möglichkeit einer Lösung bestanden. Denn nach § 54 des Ausländergesetzes können die Innenminister der Länder einen Abschiebestop verhängen. Die Kirchenleitung riet jedoch von der Unterstützung des Wanderkirchenasyls ab und unterstellte dem Kölner Netzwerk »Instrumentalisierung« der Flüchtlinge für politische Zwecke.

Schließlich haben auch grüne Landespolitiker nach der Bundestagswahl ihre Unterstützung für die Forderung nach einem Bleiberecht für alle an der Aktion beteiligten Flüchtlinge aufgegeben und stattdessen das Modell der erneuten »Einzelfallprüfung« favorisiert. Schon jetzt überlegen die Mitarbeiter von »Kein Mensch ist illegal«, wie sie weiterhin ein Bleiberecht für die Flüchtlinge durchsetzen können, die durch die Einzelfallprüfung fallen werden. Auf die Unterstützung der meisten der 80 Kirchengemeinden können sie dabei zählen: auch nach der »Verhandlungslösung« mit dem Innenministerium in Düsseldorf beherbergen sie weiterhin die bis zu 30köpfigen Gruppen kurdischer Flüchtlinge, von denen sie keinen im Stich lassen wollen.

Die Aktivisten des Netzwerks wollen zudem darüber nachdenken, wie denjenigen Flüchtlingen geholfen werden soll, die - ermutigt durch den Erfolg des Wanderkirchenasyls - jetzt vermehrt an die Kirchentüren klopfen.

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