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  • Politik
  • liflfflMtfflmi Noch hat Rau

die Wahl nicht gewonnen

PDS und FDP haben sich bisher auf keinen Kandidaten festgelegt

  • Lesedauer: 3 Min.

Von Peter Richter

Nach dem SPD-Bundesvorstand hat kürzlich auch die Fraktion Johannes Rau als Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl förmlich nominiert. Für die Union tritt Dagmar Schipanski an. FDP und PDS überlegen noch.

Vorsichtshalber ließ SPD-Fraktionschef Peter Struck nicht abstimmen, sondern schloß aus dem Beifall der Abgeordneten, daß Rau »einmütig« benannt sei. Nachdem sich im Bundesvorstand vier Mitglieder - vermutlich Frauen, die mit dem Nominierungsvorgang nicht einverstanden waren - der Stimme enthielten, sollte der frühere nordrheinwestfälische Ministerpräsident nicht weiter von der eigenen Partei beschädigt werden. Denn eigentlich möchte die SPD ihren Kandidaten in der Bundesversammlung gern schon im ersten Wahlgang durchbringen, wofür er die absolute Mehrheit der 1338 Mitglieder - die 669 Bundestagsabgeordneten und ebensoviele Vertreter der Landtage - benötigt, also 670 Stimmen. Rot-grün verfügt jedoch nach der Hessenwahl nur über 660 Mandate und muß um die fehlenden Stimmen bei anderen Parteien werben. Entweder bei der PDS, die 64 Vertreter in die Bundesversammlung entsendet, oder bei der FDP mit ihren 57 Mandaten. Im dritten Wählgang genügte Rau die einfache Mehrheit, doch sähe der prestigebewußte

SPD-Veteran darin wohl schon einen Makel.

Angesichts solcher Mehrheitsverhältnisse wäre es für die CDU/CSU eine abenteuerliche Annahme, daß ihre Bewerberin, die Ilmenauer Physikprofessorin Dagmar Schipanski, zur Bundespräsidentin gewählt werden könnte. Vielmehr dürfte sich am 23. Mai im Berliner Reichstagsgebäude die Vermutung bewahrheiten, sie sei dort lediglich eine Zählkandidatin. Deshalb war wohl auch für Bayerns Ministerpräsidenten Edmund Stoiber das Interesse an der ihm bis zur Nominierung gänzlich unbekannten Ostdeutschen schnell erloschen. Eine »Verliererin« in spe ist für den machtbewußten Bayern keine Größe, die ihn lange beschäftigt.

Ganz anders Wolfgang Schäuble, der mit der Kandidatur der Wissenschaftlerin offensichtlich gewisse strategische Ziele verfolgt - zum einen die weitere Verunsicherung der vor allem nach der Hessenwahl aus dem Tritt gekommenen Sozialdemokraten, zum anderen den Versuch, im Osten um neues Vertrauen für die CDU zu werben. Beides könnte aufgehen, denn weder PDS noch FDP haben sich in Sachen Präsidentenwahl schon endgültig festgelegt.

Bei der FDP gab es kurzzeitig Überlegungen, eine eigene Kandidatin zu benennen, wofür die frühere Ausländerbeauftragte Cornelia Schmalz-Jacobsen im Gespräch war Diese aber lehnte inzwischen definitiv ab: »Man macht sich ja lächerlich, wenn man jetzt noch mit einer Frau hinterherkleckert.« Nun hat offensichtlich ein überwiegend taktisch bestimmtes Tauziehen begonnen. Während

weiterhin streng auf die Union fixierte Freidemokraten wie ihr Vorsitzender Wolfgang Gerhardt, aber auch die ostdeutschen Liberalen wohl eher Dagmar Schipanski zuneigen, möchten andere die FDP-Stimmen in der Bundesversammlung in den Dienst einer Annäherung an die Sozialdemokratie stellen. Dazu gehört der bekennende Sozialliberale Burkhard Hirsch ebenso wie die FDP Nordrhein-Westfalens, die nach der erhofften Rückkehr in den Landtag im Jahre 2000 auf ein Zusammengehen mit Wolfgang Clement setzt. Am 22. Februar wollen die FDP-Wahlmänner und -frauen über ihr Vorgehen beraten.

Auch die PDS hält sich noch bedeckt, will einen eigenen Kandidaten jedoch nicht benennen. Ihr Vorsitzender Lothar Bisky nannte Schipanski einen »intelligenten Vorschlag«, denn die 55jährige Wissenschaftlerin, die sich notgedrungen, aber bewußt auf das Leben in der DDR eingelassen hatte, steht mit ihrer Biogfafie den Menschen im Osten nicht allzu fern. Die PDS-Bundestagsfraktion hat sie jedenfalls - wie Rau - zu einem »Vorstellungsgespräch« eingeladen, worauf beide noch nicht reagierten. Rau hatte sich bei seiner Rede in der SPD-Fraktion als »Brückenbauer« dargestellt, dem das »Zusammenführen und Zusammenbringen« am Herzen liege. Auch Frau Schipanski kündigte an, sich um die innere Einheit der Nation kümmern zu wollen und machte dazu ein Gesprächsangebot »für alle Seiten«. Ob sie die PDS allerdings dazu zählt, ließ sie bislang im dunkeln; sie wolle sich mit ihrem Kontrahenten abstimmen.

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