nd-aktuell.de / 15.02.1999 / Politik / Seite 6

nicht nur in Ferien jobben

Immer weniger Kinder aus Arbeiterfamilien studieren Von Beate Mazzi, Kiel

»Die Chance, eine Hochschule zu besuchen, ist nach wie vor wesentlich von der sozialen Herkunft abhängig.« So kommentiert das Studentenwerk Schleswig-Holstein die 15. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks.

Die Erhebung dokumentiere den fortlaufenden Verfall des BAföG. Lediglich 17 Prozent der Studierenden in den alten Ländern könnten noch auf dessen Leistungen zurückgreifen. Vor 15 Jahren seien es noch 37 Prozent gewesen. Das BAföG mache mittlerweile bei ledigen Erststudenten, die außerhalb des Elternhauses leben, in den alten Ländern durchschnittlich nur noch zehn Prozent der Gesamteinnahmen aus.

Als »Alarmstufe rot« könne die Tatsache bezeichnet werden, daß 66 Prozent der Studierenden in den alten und 56 Prozent in den neuen Ländern sowohl in den Ferien als auch im laufenden Semester erwerbstätig sind. Dies habe zu weiterer Zunahme des Durchschnittsalters der Studierenden beigetragen. Seit 1994 stieg der Anteil derer, die 27 Jahre und älter seien, in den alten Ländern von 23

Prozent auf 31 (Männer) bzw 21 auf 25 Prozent (Frauen).

Mit Blick auf die Konkurrenzfähigkeit deutscher Hochschulabsolventen auf dem europäischep Arbeitsmarkt müsse hier dringend gegengesteuert werden. Mehr denn je sei für Kinder aus niedrigen Schichten ein Studium die Ausnahme: Während in den alten Ländern für Kinder aus Beamtenfamilien ein Studium der Normalfall ist (von den 73 000 Beamtenkindern zwischen 18 und 21 Jahren nehmen 41 000 = 56 Prozent ein Studium auf), ist dies für Kinder aus Arbeiterfamilien immer noch die große Ausnahme: von 204 000 beginnen 28 000 = 14 Prozent ein Studium. Dagegen sind dies in der ebenso so großen Gruppe der Angestelltenkinder mit 79 000 = 39 Prozent dreimal so viele. Auch nahezu jedes zweite der 88 000 Kinder von Selbständigen studiert.

Aus den Ergebnissen der Erhebung leitet das Studentenwerk u.a. folgende Forderungen ab: »Das BAföG muß dringend grundlegend reformiert werden. Ein staatliches Studienförderungssystem wird dringend benötigt, das Kindern aus einkommensschwachen Familien den Weg zum Hochschulstudium öffnet.« Ein neues System müsse so gestaltet sein, daß die Förderung ausreicht, die Lebenshaltungskosten zu decken.