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  • Politik
  • Berlinale-Bericht: Weltenretter Willis mal komisch

Die gebrochenen Seelen

  • Lesedauer: 3 Min.

Von Peter Hoff

Der Berlinale-Wettbewerb - das ist die Schau des internationalen Kino-Mainstreams. Vergeblich, hier Innovationen zu suchen. Und doch ...

Kaum ein Genre ist so verschlissen wie der Heimatfilm. Francis Reusser, Schweizer Regisseur und Dokumentarist, griff das Genre und den Stoff auf, aus dem schon so oft retrospektive Träume sich speisten. »La guerre dans le haut pays« (»Der Krieg im Oberland«) führt zurück in den Winter 1798. Napoleons Armeen besetzen auch das Berner Land, junge Leute solidarisieren sich mit den Franzosen; die konservativen Bauern, gestützt von der Kirche, suchen die traditionellen Werte zu retten. Der Schnitt geht durch die Familien, trennt den Sohn vom Vater, wie den jungen David von seinem Vater Josias. Sie stehen sich schließlich als Feinde gegenüber, der Vater tötet den Sohn und nimmt dann sich selbst das Leben. Am Ende wird die schöne Julie, die Geliebte Davids', dessen Tod nicht begreifen und bis an ihr eigenes Ende nach dem Geliebten suchen.

Das Sujet trägt balladeske Züge, Reusser hat es mit ausdrucksstarken Schauspielern in schönen Bildern in Szene gesetzt. Die Kamera arbeitet mit strenger Lichtführung. Der Regisseur scheut die szenischen Genremalerei nicht, die Charaktere sind streng angelegt und in harten Linien entwickelt. So entstand ein schöner altmodischer Film, der wohl kaum von einem in der jüngeren Welt-

filmentwicklung kinosozialisierten Publikum verstanden werden wird.

Auch »The Thin Red Line« (»Der schmale Grat«) von Terence Malick wirkt wie das Remake eines Kriegsfilms der 50er oder 60er Jahre. Seither haben die USA mehrere Kriege geführt - und verloren. So kehrt Malick die Wertungen um. Seine Weltkriegshelden sind gebrochene Charaktere. Der Krieg ist nur für wenige noch die Gelegenheit, sich als Helden zu erweisen, wie für den verblendet ehrgei-

des Zumutbaren gehenden Kriegsszenen in den Reflexionen der Soldaten, mit ihrer Sehnsucht nach Frieden und dem kleinen häuslichen Glück. Er stellt dem Morden das von westlicher Zivilisation unberührte Leben der Eingeborenen der Südseeinsel gegenüber, er zeigt die Schönheit der Natur, die unversehens in verbrannte Erde verwandelt wird.

Der Film in großer Starbesetzung trägt - und das unterscheidet ihn wohl am meisten vom traditionellen Vorbild - deutlich

sei, und wie er befinden sich alle Gestalten des Films von Alan Rudolph auf der Suche nach sich selbst. Aber nur dem alten verkommenen Science-Fiction-Autor Kilgore Trout (Albert Finney) gelingt der Schritt durch den Spiegel in sein Paradies und zu sich selbst.

Rudolph verhonepipelt in seinem Film nach einem Roman von Kurt Vonnegut Jr. mit Geschick die bunte Werbewelt, er macht aus dem ewigen Weltenretter Willis eine stellenweise richtig komische Figur und gibt dem harten Nick Nolte als Geschäftsmann Harry Gelegenheit, sich zu seiner Liebe zu roter Spitzenwäsche zu bekennen. Wiederum eine starke schauspielerische Nummer von Nolte. Das ist alles schön anzusehen, doch der Film dehnt sich durch die ständige Wiederholung des ewig Gleichen und endet höchst sentimental.

Nun ist Dänemark dank Lars von Trier und Thomas Vinterberg zum europäischen Hoffnungs-Filmland geworden, das puristische DOGME-Konzept (der Film spielt heute, Aufnahmen am Originaldrehort, kein Synchronton und Originalmusik, Handkamera ohne Filter, kein Kunstlicht, keine oberflächlichen Handlungen usw.) scheint in der Tat zu einer Hinwendung des Films zur Realität beizutragen.

»Mifune« von Soren Kragh-Jacobsen, dritter Film der DOGME-Gruppe, ist eine »kleine« Geschichte: vier sehi; unterschiedliche Menschen suchen und finden Möglichkeiten des Zusammenlebens auf einem vergammelten Bauernhof, als sie ihre Lebenslügen überwinden. Das war mit Humor gespielt, das Prinzip »Zurück zur Natur!« (auch zu der des noch unverbogenen Films) bewährte sich durch Glaubhaftigkeit. Als Ausweg aus der Misere des Films kann das dänische Beispiel aber kaum gelten. Es ist wohl doch nur ein sehr schmaler Fluchtpfad.

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