nd-aktuell.de / 24.06.1999 / Politik

Brenda Blethyn

Ihr Auftritt in »Little Voice« ist furios. Mit ihrer Stimme kann sie es in puncto Lautstärke, Tempo und Schnodderigkeit mit jedem Marktweib aufnehmen, und ihre Zoten sind auch nicht von schlechten Eltern. Eine bravouröse Show, die manchen vielleicht nervt, aber alle anderen fasziniert. Den Juroren der Academy of Motion Pictures war die Leistung eine Oscar-Nominierung wert. Es war bereits die zweite. 1997 erhielt sie sie für ihre Rolle in Mike Leighs Sozialdrama »Lügen und Geheimnisse«, das in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde. Und sie bekam für ihre großartige Darstellung der frustrierten Fabrikarbeiterin Cynthia, die mit ihrer Tochter in einem schäbigen Londoner Vorort lebt und plötzlich mit ihrer älteren, zur Adoption freigegebenen schwarzen Tochter konfrontiert wird, den Preis als beste Darstellerin - sowie zahlreiche andere Prei-

se, darunter den Golden Globe. Ihre Schauspiel-Karriere hat sie relativ spät begonnen. Mit 17 ist die im englischen Ramsgate geborene Brenda Blethyn vom College abgegangen, hat sich in verschiedenen Berufen versucht, u. a. als Bankangestellte, bevor sie im Alter von 27 Jahren auf die Schauspielschule in Guilford ging. Danach trat sie an mehreren Bühnen auf und wurde 1975 Mitglied des National Theatre. Auch bei der Royal Shakespeare Company spielte sie, u. a. in Maximilian Schells Produktion »Geschichten aus dem Wiener Wald«. Beim Fernsehen war sie eine ebenso gefragte Darstellerin wie am Theater, spielte 1980 in Mike Leighs BBC-Produktion »Grown Ups«, in der TV-Serie »Outside Edge«, für die sie 1994 den British Comedy Award erhielt, und in der Serie »Der Buddha aus der Großstadt«. Ihr Filmdebüt gab sie erst 1990 in Nicolas Roeggs »Hexen hexen«. Da hatte sie bereits das Alter für Mütterrollen, und in einer solchen zeigte sie sich 1992, als sie Brad Pitts Mutter in Robert Redfords »Aus der Mitte entspringt ein Fluß« spielte. Seit des Erfolgs ihres dritten Films, »Lügen und Geheimnisse«, ist sie von der Leinwand nicht mehr wegzudenken und machte schon ein Jahr später mit »Girls' Night« von Nick Hurran erneut Furore als krebskranke Mutter zweier Kinder, die sich mit ihrer Freundin den größten Wunsch erfüllt: einen Trip nach Las Vegas. In dieser bewegenden Tragikomödie zeigt sie nicht nur erneut die Fähigkeit zu sensibler Charaktergestaltung, sondern auch ihr großes komisches Talent, das sie jetzt in »Little Voice« voll ausspielt. R. B.