Anzeigenflut gegen die Polizei

Fan-Beauftragter des BFC sagt im Innenausschuss aus / Kripo ermittelt gegen Einsatzkräfte

  • Matthias Koch und Rainer Funke
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.
Die brutale Polizei-Gewalt gegen vermeintliche Hooligans beim Einsatz in der Diskothek »Jeton« in der Frankfurter Allee war vielen Besuchern eines Friedrichshainer Lokals am Mittwochabend noch anzusehen. Etliche der rund 100 Frauen und Männer kamen mit Nasenbeinbrüchen, blau geprügelten Augen und genähten Platzwunden zu der internen Veranstaltung. Hier haben gleichermaßen geschädigte Fußball-Fans und normale Disco-Besucher ihre weitere Vorgehensweise besprochen. »Es geht nur um die Wahrheit. Wir wollen wissen, warum dieser Polizeieinsatz stattgefunden hat. Uns interessieren auch die vielen Widersprüche«, sagte Rainer L. Der Fan-Beauftragte des BFC Dynamo wurde inzwischen von Volker Ratzmann, Fraktionschef der Grünen, angerufen. Eine Einladung für den Innenausschuss des Abgeordnetenhauses an den Ex-Hooligan, der sich eigenen Worten zufolge seit 15 Jahren nichts mehr zu Schulden kommen lässt, ist unterwegs. Rainer L., der während der Razzia drei Stunden lang an den Armen gefesselt auf dem Fußboden liegen musste, will am Montag aussagen. Die bislang offiziell zugegebene Zahl von 40 Anzeigen gegen Polizeibeamte hält Rechtsanwalt Rene Lau für reichlich untertrieben. »Zusammen mit den Mandanten, die Kollegen von mir betreuen, dürften bislang bis zu 100 Anzeigen erstattet worden sein. Diese Ziffer wird vermutlich noch steigen«, meinte der dem BFC nahe stehende Anwalt, Bruder des Dynamo-Stürmers Hendryk. Allein am Mittwoch sprach Lau mit mehreren »Jeton«-Besuchern, die ihre Anzeige noch gar nicht auf den Weg gebracht haben. »Die Polizei verstieß erheblich gegen Bürgerrechte. Juristisch bin ich davon überzeugt, dass selbst die Anwesenheit von Hooligans keinen Polizeieinsatz dieser Art rechtfertigt.« Laut Polizei befanden sich in der Nacht zum Sonntag im Moment des Zugriffs 570 Menschen. 158 wurden festgenommen. Unter den größtenteils bis zum Sonntagabend festgehaltenen und später in Gefängnisse verschleppten Personen waren 22 Fans der Polizeikategorie B (gewaltbereit), 19 Fans der Kategorie C (gewaltsuchend) und 28 in der staatlichen Akte »Gewalttäter Sport« vermerkt. Über die Hälfte der ohne Gegenwehr festgenommenen Disco-Besucher gehörte also nicht mal zum Dunstkreis vermeintlicher Rädelsführer der Hooliganszene. Dennoch wurden sie wie alle anderen der 570 Gäste von den vermummten Beamten des Spezialeinsatzkommandos zu Boden »genötigt«, wie es auf Polizeideutsch heißt. Die Schläger unter den Polizisten auszumachen, dürfte schwierig sein. Deshalb könnte sich die Flut von Anzeigen gegen Einsatzleiter Michael Knape und Bernd Kossin, einen leitenden SEK-Mitarbeiter, richten. Unabhängig davon werden BFC-Fans eine Internetseite (www.gegen-polizeige- walt.de.vu) schalten, die sich mit dem Thema befasst. Auch Demos gegen Polizeigewalt sind erwogen worden. Wegen der vielen Anzeigen gegen die Polizei wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung oder Freiheitsberaubung ermittelt jetzt gegen die Einsatzkräfte eine Sondergruppe des Landeskriminalamtes, die nach dem Namen der Disko benannt ist. Auch wird ein Führungsbeamter der Sondergruppe »Hooligans« verdächtigt, Razzientermine und anderes mehr an die Szene gegen Bezahlung verraten zu haben. Der Mann soll inzwischen vorläufig auf einen anderen Posten versetzt worden sein. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hüllt sich derweil zum Thema »Jeton« weiter in Schweigen. Der Sachverhalt müsse »in gebotener Eile und Sorgfalt aufgeklärt werden«, ließ er gegenüber ND verlauten. Polizeipräsident Dieter Glietsch erstelle de...

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