Pockau schwimmt davon, tm Mittleren Erzgebirgskreis gab es Katastrophenalarm
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Nachdem zu Wochenbeginn Teile Westdeutschlands von Unwettern heimgesucht wurden, tobten sich Regengüsse, Sturm und Hagel auch im Osten aus. Nach Rekordhitze wurde in der Nacht auf Dienstag die Erzgebirgsregion Marienberg verwüstet.
Von wegen wolkenbruchartig? Ein Inferno war. das, was nächtens hereinbrach«, behauptet ein freiwilliger Feuerwehrmann aus Marienberg. Er und dutzende Kollegen mußten Nachbarn aus ihren Häusern retten. Inzwischen sind im Bereich Marienberg, Pobershau und Pockau rund 500 Helfer im Einsatz. Keine Hilfe gab es für einen 60jährigen Mann in der Gemeinde Großrückerswalde. pr hatte auf der Terrasse seines Wochenendhauses gestanden, als sich von einem anliegenden Hang ein Sturzbach löste und ihn 250 Meter weit mit sich riß. Gewöhnlich harmlose Bäche wie die Rote Pockau mißachteten überraschend Ufergrenzen, unterspülten Häuser, entwurzelten Bäume und trieben in der Gemeinde Pockau niegel-nagel-neu-glänzende Offerten eines Autohauses in den Schlamm. Rund 50 Häuser und Gewer-
bebetriebe sind beschädigt. Ebenso zwei Straßen- und zwei Eisenbahnbrücken. Sie werden in absehbarer Zeit nicht befahrbar sein.
»Unser Vorhersage hat jedenfalls gestimmt, sowohl zeitlich wie räumlich. Die Unwetterwarnung ging am Montag gegen 15.30 Uhr raus. Zumindest also die sächsischen Behörden konnten Vorsorge treffen«, sagt der diensthabende Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes in Leipzig. Konrad Saß ist zwar ein »alter Frosch«, doch daß es so schlimm werden würde, und »daß sich die Natur vor allem über einem so kleinen Gebiet von 20 mal 20 Kilometern austoben würde«, hat er nicht gedacht. »159,6 Liter pro Quadratmeter in nur drei Stunden führten bei der Roten Pockau zu einer Flutwelle von gut zwei Metern.«
Auch vor der Tür der Meteorologen geschah Ungewöhnliches. Gegen 19 Uhr ging ein schwerer Hagelschlag über dem Ostteil Leipzigs nieder. »Der Hauptbahnhof war zeitweise weiß.« Im Stadtteil Taucha zerbeulten Hagelkörner mit einem Durchmesser bis zu 3,5 Zentimetern Autos, zerschlugen Gewächshausscheiben und »ernteten« mit Macht unreife Äpfel.
In der Nacht hatte zudem zwischen Weimar und Chemnitz flächendeckender Regen eingesetzt. Durchschnittlich 20 bis 30 Millimeter Niederschlag sind das halbe Monatsaufkommen. Was Flüsse wie Plei-
ße, Mulde und die Weiße Elster noch vorhaben, können weder Meteorologen noch Experten der Wasserwirtschaft sagen. Noch unbekannt war am Dienstag nachmittag auch die exakte Anzahl der Verletzten - nicht jedoch, daß weitere, schwerbeladene Regenwolken aus den Räumen Kassel und Stuttgart nahten. Die staatlichen Umweltämter in Magdeburg und Halle warnten am Dienstag vor Hochwasser. Niederschläge von 20 bis 80 Litern pro Quadratmeter binnen einer Stunde könnten Wasserläufe kurzzeitigen ansteigen lassen.
In Bayern mußte für drei Stunden die ICE-Strecke Nürnberg-Regensburg gesperrt werden, weil ein umgestürzter Baum die Oberleitung zerriß. In Oberfranken und der Oberpfalz lösten Blitzeinschläge Brände aus. Aus Nordrhein-Westfalen wurden ebenfalls gestern Fortschritte bei Aufräumarbeiten gemeldet.
In der Hauptstadt rief die Feuerwehr alle erreichbaren Mitarbeiter zum Einsatz. Dagegen vermeldete Brandenburg nur geringe Schäden. Zwei Mittelspannungsleitungen bei Uckro wurden von Blitzen getroffen, mehrere Ortschaften waren ohne Ström. (Seiten 17 und 20)
Bis auf Auswüchse in einzelnen Regionen »geht das Wetter in Ordnung«, behauptet der Leipziger Meteorologe Saß.
»Die Zeit zwischen dem 27 Juni, dem sogenannten Siebenschläfertag, und dem 8. Juli bestimmt das Sommerwetter. Saß rät, man solle sich auf einen regnerischen Sommer einstellen.
Beschäftigungspolitischer Nebeneffekt des Unwetters ist der Arbeitsanfall, der unter anderem auf das regionale Gutachterbüro des Wetterdienstes in Dresden zukommt. Dort bereitete man sich bereits auf die Anfragen diverser Versicherungen vor
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/770811.cm-die-rote-pockau-kannte-keine-gnade.html