nd-aktuell.de / 27.08.2005 / Sport

Ohne Ärmel durch den Ärmelkanal

Christian Hansmann schwimmt 32 Kilometer mit Hase und Anpeitscher

Matthias Opatz
Gut 32 Kilometer sind es von Dover nach Calais. 32 Kilometer Wasser, das ziemlich kühl ist (um 16 Grad), eher dreckig und meistens - durch Wind und Schiffe - gewaltig unruhig. Der 28-jährige Erfurter Christian Hansmann will dennoch am Wochenende den Ärmelkanal durchschwimmen. Erst sechs Deutsche haben das vor ihm geschafft - einer davon allerdings in Rekordzeit: Christof Wandratsch hat vor drei Wochen sieben Stunden und drei Minuten gebraucht, 14 Minuten weniger als 1994 der Amerikaner Chad Hundeby. »Ich hab die Bilder von Wandis Schwimmen gesehen«, sagt Hansmann, »er hatte spiegelglattes Wasser. Das wünsche ich mir auch, aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering. Egal, ich will durch, und das so schnell, wie ich kann.« Ob überhaupt, und wann, das entscheidet Reg Brickell, Hansmanns »Pilot«. So heißen die erfahrenen Bootsführer der CSA (Channel Swimming Association), die den Ärmelkanal kennen, je nach Strömung und Wetter über einen Start entscheiden und die Schwimmer begleiten. Die CSA wacht über die Regeleinhaltung, koordiniert die Kanalüberquerungen und führt die Rekordlisten. Für die Zeit von Freitag bis Montag sind drei Durchquerungskandidaten registriert, neben Hansmann noch 25-km-Vizeweltmeister Brendan Capell (Australien) und ein Brite. Falls das Wetter nicht mitspielt, gibt es weniger als drei Startfreigaben, im ungünstigsten Fall gar keine. Doch darüber mag Hansmann jetzt nicht nachdenken. Zwölf Monate lang hat er sich auf sein Abenteuer vorbereitet, im letzten Jahr seiner Karriere noch einmal so viel trainiert wie selten zuvor und in den letzten Wochen auch so viel gegessen wie selten. »Eine kleine Fettschicht kann nur gut sein«, sagt Hansmann. »Ich bin zwar als Kaltschwimmer bekannt, aber 16 Grad für eine lange Strecke sind schon ein bisschen wenig.« Zumal die Regeln der CSA unerbittlich sind. Auch wenn es Ärmelkanal heißt, lange Ärmel am Schwimmanzug sind ebenso tabu wie Wärmeschutztextilien (Neopren). Es wird so geschwommen, wie es der englische Kapitän Matthew Webb 1875 tat, als er die Meerenge als erster durchschwamm. Andere »Hilfsmittel« sind erlaubt. So gehört zu Hansmanns Team neben Coach Gerald Stern und Klaus Höpfner noch ein »Hase« und ein »Anpeitscher«. Der »Hase« ist sein Trainingskollege Toni Franz aus Leipzig, der stundenweise neben Hansmann schwimmen und Tempo machen soll. Und André Wilde aus Rostock, selbst ehemaliger Langstreckenschwimmer, kann brüllen, dass es einem durch Mark und Bein geht. »Das soll es auch«, sagt Hansmann. Frei nach Udo Bölts' legendärem »Quäl dich, Du Sau!« an Jan Ullrich, das bei einem Tour-de-France-Anstieg in eine Fernsehübertragung und dann in die ewige Sportfolklore geriet. Wenn Hansmann nach acht oder mehr Stunden in Calais ans Ufer steigt, wird er vielleicht auch noch angebrüllt. Zwei Dutzend Thüringer sind als Fanblock nach Frankreich gereist, um ihn am Ziel zu empfangen. Wenn er nur schon dort wäre! Hansmann: »Das wäre der Ritterschlag zum Abschluss meiner Karriere. Was Bergsteigern die Achttausender sind, ist für Langstreckenschwimmer der Ärmelkanal.«