nd-aktuell.de / 14.07.1999 / Politik / Seite 3

Gerade mal das Abi und schon Botschafter

Erste Abschlußzeugnisse im Deutsch-Polnischen Gymnasium in Löcknitz

Von Heiko Walther

Der erste Jahrgang des Deutsch-Polnischen Gymnasiums Löcknitz (Uecker-Randow-Kreis) hat es bis zum Abi geschafft. Am Wochenende gab's Zeugnisse - in Szczecin.

In Stettin liegt die Zukunft, ist Ralf Milz überzeugt. Der Unternehmer wohnt in Linken, nur einen Steinwurf von der polnischen Grenze entfernt. Am vergangenen Sonnabend hatte er einen Grund, zu feiern. Sein Zweitältester Sohn Philipp hat gemeinsam mit 61 anderen Gymnasiasten sein Abiturzeugnis bekommen. Was an sich nicht unbedingt der Erwähnung wert wäre. Wenn nicht zweiundzwanzig von Philipp Milz' Mitschülern aus Polen stammen würden.

Dem Schulleiter der seit August 1995 in dieser Form bestehenden Schule sah man den Streß der letzten Tage an. Gerhard Scherer setzt darauf, daß gemeinsames Lernen von Polen und Deutschen eines Tages normal und kein Anlaß mehr für Schlagzeilen sein wird. Trotzdem aber sei die Zeugnisübergabe im Schloß von Szczecin mehr als nur ein protokollarischer Akt, betont Scherer in seiner Rede im Saal der Oper, die für den Festakt Bühne und Ränge zur Verfügung gestellt hat. »Zum ersten Mal in der Geschichte unserer beiden Länder erhalten deutsche Abiturienten ihre Zeugnisse in Polen.« Hinzu komme, daß deren polnische Mitschüler nicht nur das polnische, sondern auch das Abitur nach deutschem und damit nach EU-Recht ablegen konnten. »Somit eröffnet ihnen das Abitur die Chance, sowohl in Deutschland als auch in Polen zu studieren.« Was zugleich auch für jene deutschen Schüler gilt, die Polnisch als zweite Fremdsprache erlernt haben.