nd-aktuell.de / 24.07.1999 / Politik / Seite 10

Eis ohne Stil am Perelsplatz?

In Schöneberg WC-Häuschen zu Cafe umfunktioniert Von Andreas Fritsche

Täglich von 10 bis 22 Uhr geöffnet: Eiscafe und Toiletten

ND-Foto: Burkhard Lange

Italienisches Kugeleis gibt es jetzt auf dem begrünten Perelsplatz in Schöneberg. Weil hier ein Toilettenhäuschen zur Eisdiele umfunktioniert wurde, liegt die Befürchtung nahe, daß das Eis ohne Stiel in einer Atmosphäre ohne Stil geschleckt werden muß. Weit gefehlt: Der Informatiker Werner Lang und der Textilkaufmann Giancarlo Giannini haben den 90 Jähre alten Fachwerkbau für 70 000 Mark in ein Schmuckstück verwandelt, dem die einstige Bestimmung nicht mehr anzusehen ist.

Der Bezirk konnte die 1,5 Millionen Mark jährlich für die Unterhaltung seiner 20 öffentlichen Bedürfnisanstalten nicht mehr aufbringen. Die zwei denkmalgeschützen an Wittenberg- und Perelsplatz durfte er nicht abreißen. Deshalb machte er aus der Not eine Tugend, ^ie Baustadtrat Gerhard Lawrentz (CDU) sagt, entschloß sich zur Vermietung und gab sie für eine gastronomische Nutzung frei.

Ein derart irrwitzig anmutendes Konzept konnten wohl nur zwei Fachfremde ertüfteln, und prompt hatte Inhaber Lang Pech. In seinem alten Beruf galt er mit 50 Jahren als zu alt, im neuen verkaufte er an zwei Tagen nur je eine Tasse Kaffee. »Erst war es zu heiß, dann zu kühl«, tröstet er sich und hofft nach Ende der

Ferien auf kleine Schleckermäuler aus der nahegelegenen Schule. Für schleppende Umsatzentwicklung ist offensichtlich auch mehr Abgelegenheit denn Vergangenheit des Häuschens verantwortlich. Weil es im Kiez keinen Bäcker gibt, will Lang das Cafe im Winter mit Brötchenverkauf auf die Gewinnerstraße bringen. Verlierer sind Obdachlose, die zuvor in

dem seit zwei Jahren geschlossenen WC-Häuschen Unterschlupf suchten. »Früher trieben sich hier Nicht-Seßhafte herum«, freut sich der Stadtrat unangemessen, aber in stilechter CDU-Diktion, über die Eisdiele. Der Platz pendelt noch zwischen Sieger und Verlierer. Das sanierte Gebäude ist optischer Gewinn und empfehlenswerte Attraktion. Beim verdächtigen Uringeruch in einigen Büschen muß es nicht bleiben. Die Inhaber werden für die Benutzung der zwei verbliebenen Toiletten keinen Eisverzehr erzwingen, verspricht Lawrentz. 15 Bewerbungen potentieller Betreiber gingen für den Perelsplatz, 55 für den Wittenbergplatz ein. Dort entsteht ein Bistro.