nd-aktuell.de / 25.08.1999 / Politik

Der Angriffslustigste

Peter H. Feist

Von allen, die über die bildende Kunst in der DDR und deren erhoffte Partner und offenkundige Widersacherim Inland wie in aller Welt - geschrieben haben, war er stets der angriffslustigste. Er schrieb die pointiertesten und jedesmal lesenswerten Texte - und er tut dies zum Glück bis heute, erfreulich oft in dieser Zeitung. Von wechselnden Kontrahenten gebeutelt und geschmäht, vor wenigen Jahren dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen, schont er sich nie. Ihn treibt eine unersättliche Neugier auf den Lauf der Welt und der Kunst ebenso wie die Überzeugung, dass er für diesen Lauf etwas tun kann, also auch muss. So lässt sich Hermann Raum nicht anmerken, dass er heute schon 75 wird.

Anfangs Grafiker und Karikaturist, der in Nürnberg und Leipzig studiert hatte, kam er 1955 aus dem Fränkischen in die

DDR, um bald definitiv zum Kunsthistoriker an der Universität Rostock zu werden, wo die Fachrichtung dann allerdings wegprofiliert wurde. Ob als Museumsdirekor in Halle, der unvergessliche Ausstellungen, z. B. von Carl Hofer wie von Willi Sitte, konzipierte, danach als Profes-

sor an der Kunsthochschule Berlin-Wei-ßensee oder als Vizepräsident für internationale Beziehungen des Verbandes Bildender Künstler und als Autor, z. B. in der viel gelesenen »Wochenpost«, - er focht immer kenntnisreich und mit neuen Ideen für eine spannungsvolle Kunst für

den Sozialismus und deren Akzeptanz in der Gesellschaft. 1964 verstörte er beim Verbandskongress die Dogmatiker mit der Forderung, formale Errungenschaften der Moderne nicht zu ignorieren, durchleuchtete aber immer die ideologischen und politischen Funktionen, die bestimmte Gestaltungsweisen annehmen können.

Mit profundem Wissen schrieb er allein eine Geschichte der Kunst der BRD und Westberlins (Seemann-Verlag, Leipzig, 1977), während ganze Kollektive mit anderen Bänden dieser Geschichte der deutschen Kunst erst Jahre später fertig wurden. Jetzt darf man in höchstem Maße gespannt sein auf eine Geschichte der Malerei in der DDR, die noch in diesem Jahr erscheinen und ganz gewiss neuen Schwung und gut begründete Argumente in die endlich auflebende Diskussion über diese Materie bringen wird. Er beschenkt also uns zu seinem Geburtstag!