nd-aktuell.de / 27.08.1999 / Politik / Seite 13

Im Kampf gegen die Okkupanten

Von Gerd Kaiser

Außergewöhnlich sind die Erinnerungen des polnischen Juden Herschel Zimmermann. Gewidmet hat er seinen im Ton sachlichen, doch in der Sache bewegenden Bericht allen jüdischen Widerstandskämpfern gegen den deutschen Faschismus sowie seiner Frau Dorothy und seinen drei Söhnen. Im Spätherbst 1989 hat er ihn abgeschlossen, zwei Wochen vor seinem Tod.

Im Kampf gegen die deutschen Eroberer, die am 1. September 1939 seine Heimat überfallen hatten, war Herschel zunächst auf sich allein gestellt. 1941/42 hatte er eine Handvoll Mitstreiter an seiner Seite, schließlich zählte seine Partisaneneinheit einige hundert Kämpfer. Im Sommer 1944 konnten sie in den Wäldern am Bug die ersten Panzer der großen sowjetischen Sommeroffensive begrüßen. Mit ihnen zusammen stießen sie bis Lublin vor, später zeitweiliger Regierungssitz des befreiten Polen. Ihre Waffen erbeuteten sich die jüdischen Partisanen anfangs

ausschließlich im Gefecht gegen die Besatzer, 1943/44 erhielten sie diese auch aus Abwürfen sowjetischer Flugzeuge. Eine enge Kampfgemeinschaft verband sie mit sowjetischen Partisanen und mit der Polnischen Volksarmee, der Armia Ludowa (AL). Einer der Kommandeure der AL in ihrem Operationsgebiet in Ostpolen war der jüdische Kommunist Gustaw »Bolek« Alef, 1942 aus dem Warschauer Ghetto geflohen. Der gemeinsame Kampf galt den deutschen Besatzungsbehörden auf dem flachen Land, den Militärtransporten an die Ostfront sowie den polnischen, russischen und ukrainischen Kollaborateuren. Herschel berichtet, wie er und seine Mitstreiter versuchten, Juden aus Lagern und Ghettos zu befreien, so aus dem Ghetto von Wlodawa oder dem Arbeitslager von Adampol, und wie sie jüdische Frauen und Kinder versteckten, vor der Deportation und dem sicheren Tod bewahrten. Sie standen unter dem Schutz der jüdischen Partisanen, ebenso wie 15 Männer und Frauen, die im Oktober 1943 am Aufstand im Vernichtungslager Sobibor teilgenommen hatten und vor der sich grausam rächenden SS fliehen konnten.

Den Partisanen kam die Vertrautheit mit dem Landstrich, in dem sie kämpften, sowie die Unterstützung durch die Bevölkerung zugute. Auf Ablehnung und gar Hass stießen sie allerdings nicht selten bei polnischen und ukrainischen Bauern. Ebenso auch in Reihen der Armia Krajowa (AK), der Landesarmee, sowie anderen nationalistischen Widerstandsorganisationen, z. B. der Nationalen Streitkräfte (NSZ), denen die jüdischen Partisanen dennoch opfermutig halfen, wenn diese durch deutsche Truppen in Bedrängnis geraten waren. Feindbilder aus der Vorkriegszeit saßen tief. Dies bekamen auch die Partisanen der polnischen politischen Linken zu spüren. Sie wurden nicht nur als »Minderheitenverbände« diskriminiert, sondern gar in Hinterhalte gelockt und erschossen. Im Oktober 1942 ermordeten NSZ-Angehörige Hunderte von linken Partisanen, versteckte Juden und entflohene sowjetische Kriegsgefangene.

Die Hoffnung der jüdischen Partisanen auf ein gleichberechtigtes Leben in Polen nach der Befreiung erfüllte sich nicht. Zwar wurden jüdische Kämpfer von der neuen Regierung mit ehrenvollen Aufga-

ben betraut, doch schlug ihnen aus gewissen Kreisen alter Antisemitismus entgegen. Er forderte neue Opfer, darunter auch Partisanen aus Herschels Kampfverband. Nach dem furchtbaren Massaker im Sommer 1946 im südpolnischen Kielce an 43 wehrlosen Juden verließ auch Herschel Zimmermann Polen und suchte sich in den USA eine neue Heimat. Den Neuanfang begann unser Zeitzeuge unter neuem Namen: Harold Werner.

Das Vorwort zu diesem dramatischen Bericht schrieb Arno Lustiger, einst selbst Kämpfer gegen den Faschismus und renommierter Forscher über Judenverfolgung und jüdischen Widerstand. Er informiert u. a. darüber, dass ca. 30 000 jüdische Partisanen in Polen, im Baltikum, in Belorussland und der Ukraine kämpften. Dennoch gab es wenige so große und erfolgreiche eigenständigejüdische Partisaneneinheiten wie die von Herschel Zimmermann. Darum, und auch in Anbetracht des später in Osteuropa von Stalin verordneten Schweigens über den »bedeutenden Beitrag der Juden zur Zerschlagung des deutschen Faschismus«, wie es in Ilja Ehrenburgs »Schwarzbuch -Der Genozid an den Juden« hieß, ist diese Veröffentlichung von unschätzbarem Wert.

Sie ist 15 Jahre alt: Als die Deutschen Polen überfallen, ist die unbeschwerte Jugend der Gerda Weissmann jäh zu Ende. Es beginnt für sie eine leidvolle Odyssee als Zwangsarbeiterin: Gerda W. Klein erinnert sich: »Nichts als das nackte Leben« (Bleicher, 372 S., 44 DM.)

Das Schicksal der Anne Frank blieb ihr erspart: Das niederländische jüdische Mädchen Edith van Hessen hat in ihrem Tagebuch festgehalten, wie es ihr gelang, sich vor den Nazihäschern zu verstecken und zu überleben: »Ich wollte immer glücklich sein« (Zsolnay, 312 S, 38,80 DM).

Zwangsarbeit in Nazideutschland ist das Thema eines höchst aktuellen Sammelbandes, für den in- und ausländische Historiker informative Beiträge verfassten: »Zur Arbeit gezwungen« (Edition Temmen, 328 S., 48 DM).

ab die niederländische Königin Wil-VJThelmina mit ihrer Flucht nach London ihr Land den deutschen Besatzern preis? Wie groß war die Kollaboration mit den Okkupanten? Fragen, die sich Nada van der Zee in ihrem Buch über die Ermordung der niederländischen Juden stellte: »Um Schlimmeres zu verhindern ...« (Hanser, 344 S.. 45 DM).

Mit den ersten US-Panzern kam auch Saul K. Padover von der Abteilung für psychologische Kriegsführung in London im Oktober 1944 nach Deutschland. Er hatte einen Sonderauftrag, sollte erforschen, was in den Köpfen der Besiegten vorging. Der spannende Bericht des 1981 in New York gestorbenen Wissenschaftlers ist in der »Anderen Bibliothek« des Eichborn Verlages erschienen (335 S., geb., 44 DM): »Lügendetektor. Wahrnehmungen im besiegten Deutschland 1944/45«

Warum wählten 20 Millionen Deutsche Hitler? Neue Antworten auf die alte Frage will Peter Fritzsche in »Wie aus Deutschen Nazis wurden« geben (Pendo, 274 S.. 48 DM1.

Eine biografische Skizze über den KPD-Reichstagsabgeordneten Hans Pfeiffer, der an der letzten ZK-Tagung in Ziegenhals 1933 teilgenommen hatte, verfasste Fred Bruder: »Hans Pfeiffer (1895-1968): >Diese Aufgaben erforderten den Einsatz der ganzen Person<« (Bestelladresse: rüder, Landjägerstr. 14,12555 Berlin (37 S.. 5 DM1.