Mit Klängen aus längst vergangenen Kinderjahren werden die rund 60 Besucher, die sich zu ungewöhnlicher Stunde an einem Sonnabendnachmittag in einer Kindertagesstätte in der Französischen Stra-ße treffen, empfangen. Die Lieder werden mitgesungen. Bei der Begrüßung erkennt man sich jedoch nicht immer sofort. Fotos werden gezeigt, die vor Jahrzehnten entstanden sind, Erinnerungen ausgetauscht. Die dort an einem Herbsttag zusammenkommen, sind ehemalige Mitglieder des »Kinder- und Jugendensembles Musik und Bewegung«, das 1964 von der Tanzpädagogin Anni Sauer in Friedrichshain gegründet wurde.
Organisiert wurde das Treffen von Manja Zimmermann. Die heutige Physiotherapeutin und Mutter von vier Kindern war 20 Jahre im Ensemble aktiv. »Das Vorhaben gab es schon länger, aber im 35. Jahr des Bestehens der Gruppe und zehn Jahre nach dem Tod von Anni Sauer sollte
es nun endlich umgesetzt werden.« Anni Sauers Liebe zu Kindern bestimmte ihr ganzes Leben und formte Generationen von jungen Leuten, die zu ihr ins Ensemble kamen. Die 1906 geborene Tanzpädagogin, ausgebildet im freien Bewegungstanz am choreographischen Institut des Rudolf von Laban, arbeitete musikalisch und tänzerisch schon in den 20er und 30er Jahren mit Düsseldorfer Arbeiterkindern. Als Jüdin und Kommunistin musste sie in der Zeit des Faschismus Deutschland verlassen. In der Sowjetunion wurde sie 1937 zu Zwangsarbeit verurteilt und in ein Lager verschleppt.
Erst 1957 kehrte sie nach Ostberlin zurück, wo sie zunächst eine Hausfrauengymnastikgruppe im Wohngebiet leitete. Die Mütter brachten ihre Kinder mit und Anni Sauer widmete sich fortan wieder ihrer Lebensaufgabe, der musischen Erziehung von Kindern. Unterstützt vom Pianisten Günther Erdmann baute sie ein einzigartiges Ensemble auf, in dem schon dreijährigen Kindern ein Gefühl für Musik und Rhythmus vermittelt wurde. »Es gibt
kein Kind, das unmusikalisch ist. Die Talente und Fähigkeiten müssen nur aufgespürt und gefördert werden.«
Diesem Grundgedanken der Tanzpädagogin verfolgen auch ihre »Erben« - der Komponist Michael Letz und die Musikerzieherin Welislawa Müller. Unter dem Motto: »Für eine glückliche Kindheit in einer Welt des Friedens« gestaltete das Kinder- und Jugendensemble, das seit 1987 den Namen des japanischen Mädchens Sadako trägt, seit Jahrzehnten Programme mit internationalen Liedern und Instrumentalstücken von allen Kontinenten. »Mit Fantasie und Kreativität versuchen wir, Kinder wieder für ein Engagement in heutiger Zeit zu begeistern«, sagt der Leiter Michael Letz. Wer Freude am Singen und der Bewegung hat, wer gern das Spiel auf verschiedenen Instrumenten wie z. B. auf der Gitarre, Blockflöte oder auf dem Xylophon erlernen möchte, ist in »Sadako« richtig aufgehoben. Unterstützt wird das Ensemble vom »Förderverein für Musik und Bewegung e.V.«
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/790961.kein-kind-ist-unmusikalisch.html