Während Opfer des Faschismus nach wie vor auf eine angemessene Entschädigung warten, haben die Täter in der Hansestadt Bremen nach Rückkehr in Amt und Würden längst scheinbar unbescholten das Zeitliche gesegnet.
Im Bremer Staatsarchiv finden sich auch die Personalakten der Sonderrichter
Foto: Ho mann
In ihrem jüngst erschienenen Buch »Ich weiß mich frei von irgendeiner Schuld...« entlarvt die promovierte Juristin Gabriele Rohloff exemplarisch am Beispiel Bremen, wie sich ehemalige Nazi-Juristen zurück ins Amt logen. Für ihre veröffentlichte Dissertation nahm Rohloff erstmals Einsicht in die Personalakten der Sonderrichter und -Staatsanwälte im Staatsarchiv der Hansestadt. Damit brachte sie Licht in ein dunkles Kapitel der Stadtgeschichte: Im kleinsten Bundesland musste nur einer von zwölf Nazi-Juristen seine Robe für immer ablegen, zwei wurden pensioniert, neun von ihnen dagegen fanden mehr oder weniger mühelos in Amt und Würden zurück.
Um ihre Taten zu vertuschen, bildeten sie regelrechte Seilschaften. Rohloff beschreibt in ihrem Buch, wie die Richter ihre Aktivitäten in nationalsozialistischen Gruppierungen verschwiegen, bei der Entnazifizierung logen, Eintrittsdaten in die NSDAP und SS fälschten und unwahre ?Leumundszeugnisse vorlegten. Groteskerweise trugen einige dieser Zeugnisse sogar die Unterschrift von Kollegen, die selbst noch belastet waren.
Zu diesen Ergebnissen kam Rohloff, als sie die Angaben der Juristen in den offiziellen Fragebögen zur Entnazifizierung analysierte und mit den Personalakten der Richter verglich, aus denen die tatsächli-
chen Sachverhalte hervorgehen. Die damaligen Sondergerichte warfen juristische Grundsätze über den Haufen, um so schneller gegen so genannte »Volksschädlinge« vorgehen zu können. Durch das
»Heimtückegesetz« von 1934 beispielsweise konnten Systemkritiker vor das Sondergericht gebracht werden. Die mögliche Höchststrafe war der Tod. Ausgewählte Richter, die sich durch politische »Verlässlichkeit« und Verhängung hoher Strafen auszeichneten, wurden an das Sondergericht berufen.
»Ich weiß mich frei von irgendeiner Schuld, Hitler an die Macht verholfen zu haben.« So begann der Lebenslauf des ehemals Leitenden Oberstaatsanwalts Dr. Seidel, den dieser im August 1948 bei der Spruchkammer in Bremen einreichte. Derartige Worte lassen die unbekümmerte Haltung der Justizjuristen erkennen, die am Sondergericht der Hansestadt tätig waren und menschenverachtende Urteile fällten. Alle ehemaligen NS-Juristen bestritten, jemals »Blutrichter« gewesen zu sein. Dabei verhängten die Bremer Sonderrichter bei etwa 10 Prozent der Verfahren Todesurteile, die fast alle auch vollstreckt wurden.
In der Nachkriegszeit setzten die meisten der auserwählten Nazi-Schergen ihre berufliche Laufbahn fort, ohne dass sie jemals dafür zur Rechenschaft gezogen wurden. Einige von ihnen kletterten die Karriereleiter sogar bis zum Präsidenten des Bremer Oberverwaltungsgerichts, zum Leitenden Oberstaatsanwalt oder zum CDU-Senator für Justiz 1 und kirchliche Angelegenheiten hinauf.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/791695.nazi-richter-kamen-ungeschoren-davon.html