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Bundesweites Rockerverbot gefordert

Gewerkschaft der Polizei will den Druck gegen kriminelle Motorradgruppen weiter erhöhen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Druck der Polizei auf die Berliner Rockerszene hat enorm zugenommen. Meldungen wie diese von Ende September gibt es in den vergangenen Monaten immer wieder zu lesen: »Mann aus Rockermilieu wegen Cannabisanbau festgenommen« heißt es dann beispielsweise. Die Beamten gehen derzeit gegen Mitglieder der sogenannten Outlaw Motorcycle Gangs (OMCG) permanent auch wegen eher kleinerer Delikte vor.

Hintergrund der neuen Taktik ist die klare »Null Toleranz«-Kampfansage von Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) an das Milieu der kriminellen Motorradorganisationen von Hells Angels, Bandidos und auch dem Gremium MC. Seit der Verbotsverfügung von Ende Mai dieses Jahres gegen das besonders aggressiv agierende Charter »Hells Angels Berlin City« ist die Rockerszene in der Hauptstadt in Aufruhr. Es kam vermehrt zu Schießereien und Gewalttätigkeiten.

Für die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin ist der »Null-Toleranz«-Weg Henkels absolut richtig. »Wir fordern ein bundesweites Verbot der Hells Angels und der Bandidos«, sagt der Vorsitzende des Landesverbandes der GdP, Michael Purper. Die Gewerkschaft hatte am Dienstag zu einer Fachtagung zum Verbot von Rockerbanden nach Adlershof geladen. Wie dringend polizeiliche Maßnahmen sind, ergibt sich aus dem massiven Wachstum des Milieus im vergangenen Jahrzehnt: Wurden 1999 gerade Mal 80-90 Mitglieder in Berlin OMCGs zugerechnet, gab es im Jahr 2011 laut GdP bereits rund 1000 Mitglieder – immer mehr würden die Banden auch auf perspektivlose Jugendliche mit Migrationshintergrund zurückgreifen.

Dass es sich bei vielen dieser Rocker keinesfalls um romantische Motorradfreaks handelt, belegen indes die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik: Von 2004 bis 2011 gab es alleine in Berlin 1532 Ermittlungsverfahren, 524 Festnahmen und 387 Gefängnisstrafen für Rocker. »Allein im vergangenen Jahr gab es 24 Haftbefehle«, betont Purper. Typische Deliktsfelder der Banden sind Rauschgifthandel, Menschenhandel, Prostitution, Schutzgelderpressungen und Waffenhandel. Immer häufiger versuchen die Mitglieder von Hells Angels und Bandidos aber auch, in legale Geschäftsfelder vorzudringen: Beispielsweise in die Sicherheitsbranche.

Eine besondere Gefahr sieht die Polizeigewerkschaft auch in den offen ausgetragenen Machtkämpfen zwischen den rivalisierenden Hells Angels und Bandidos, aber auch der Feindschaft zwischen Hells Angels und dem Gremium MC. »Vom Kampf um Einflussspähren im Drogenhandel sind auch völlig unbeteiligte Personen betroffen«, warnt Purper. Im Oktober 2011 feuerten Unbekannte über eine Straße auf ein Tattoo Studio, das den Bandidos zugerechnet wird. Dabei schlugen mehrere Projektile in eine Scheibe ein.

Aber lässt sich das Phänomen einfach so vom Staat verbieten? Ob das Verbot der »Hells Angels Berlin City« bestand haben wird, muss noch von einem Gericht entschieden werden. Doch wenn bereits Verbote von lokalen Unterorganisationen rechtlich schwierig sind, wie steht es dann erst mit einem bundesweiten Verbot?

Laut Berlins Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) wird ein solches Verfahren derzeit vom Bundesinnenministerium geprüft. Egal wie das Verfahren ausgeht, will das Land Berlin den seit Mai eingeschlagenen Verbotsweg fortsetzen, betont Krömer: »Weitere Verbote werden folgen.« Um welche Clubs es handeln könnte, will Krömer nicht verraten. Wahrscheinlich wirkt bei dieser Aussage noch die Schmach vom Mai nach, als offenbar ein Polizist aus dem Landeskriminalamt das bevorstehende Verbot an die Hells Angels durchstach.

Um den Kampf gegen die Banden zu verbessern, hat sich die Polizei umorganisiert: Gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft und Polizei gibt es seit kurzem eine »Task Force Rocker«. Die Eingreiftruppe bearbeitet sämtliche Vergehen, die Mitgliedern von Rockergruppen zugeordnet werden. »Jedes noch so kleine Detail wird verfolgt. Dazu gehört, dass man viel Arbeit in Kauf nimmt und dass gegebenenfalls auch Verfahren eingestellt werden«, sagt der Vizechef der Berliner Staatsanwaltschaft, Jörg Raupach. Der Oberstaatsanwalt leitet die Task-Force.

Dass man mit dieser Null-Toleranz-Strategie zumindest erfolgreich Unruhe in den kriminellen Teil der Szene bringen kann, zeigt ein Blick über die Landesgrenze hinaus ins beschauliche Schleswig-Holstein. Die dortige Landesregierung geht bereits seit einigen Jahren mit Verboten gegen OMCGs vor. »Wir sehen in Schleswig-Holstein, dass die öffentlichen Machtdemonstrationen mit den Vereinskutten nach den Verboten nicht mehr stattfinden«, sagt Oliver Malchow, der im Bundesvorstand der GdP sitzt. Zwar gebe es auch Übertritte von Ex-Mitgliedern in andere Vereine, aber manche verlieren auch die Lust am kriminellen Outlawleben.

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