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Polizeigrün ganz gegen den Trend

Kongress in Hamburg über bürgernahe Innenpolitik

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
»Sicherheit und Strafverfolgung im digitalen Zeitalter« ist der Titel eines Grünen Polizeikongresses, der am Freitag an der Hamburger Universität stattfinden wird. Es geht um mehr Bürgerrechte und damit um Alternativen in der Innenpolitik über nationale Grenzen hinaus.

Nicht nur weil das Jahrzehnte gewohnte Grün der Polizeiuniformen immer mehr ins Blaue abgleitet, läuft der Polizeikongress gegen den Trend, denn: In Hamburg will man über jene Polizei reden, die es in Werbebroschüren gibt, die vor Ort und bürgernah ist, demokratieerfahren und gut ausgestattet.

Jan Philipp Albrecht, der Initiator des Kongresses, sitzt für die Grünen im Europaparlament. Vor einiger Zeit war er zu einer Podiumsdiskussion auf einem dieser Europäischen Polizeikongresse in Berlin eingeladen. Diese Meetings haben Messecharakter, Sicherheitsfirmen stellen vor, was sie reich macht und amtierende Politiker loben eigene Arbeit.

Nach der Debatte auf dem Podium hätten sich Gespräche am Rande ergeben. Vor allem Polizisten trugen ihm ihre Alltagssorgen zu, sagt Albrecht. »Daraus entstand die Idee, einen alternativen Polizeikongress zu organisieren. Und weil der vor allem von den Grünen getragen wird, haben wir uns in diesem Jahr zur exakten Benennung entschlossen.«

Nicht nur Politiker, Wissenschaftler, Polizisten, Juristen, Vertreter von Nichtregierungsorganisationen sind eingeladen. »Jedermann« kann über aktuelle Innen- und Sicherheitspolitik mitdiskutieren, im Gegensatz zum letzten Jahr werden besonders Workshops Gelegenheit zum Einmischen bieten.

Das Thema bürgernahe Polizei trifft auf großes gesellschaftliches Interesse. Die ältere Dame, die Angst davor hat, ihre Handtasche »zu verlieren«, ist ebenso angesprochen wie der Computerfreak, der sicherstellen will, dass seine Daten nicht Freiwild für Behörden sind. Zudem geht es um die enger werdende Verzahnung von Geheimdiensten und Polizei, die eine parlamentarische Kontrolle, geschweige die durch Bürger kaum noch erlaubt. Europaweit müssten rechtliche Riegel vorgeschoben werden. Albrecht will auch, dass die Lethargie - die sich in den vergangenen Jahren eingenistet hat, weil immer mehr Menschen sich ohnmächtig fühlen gegenüber jenen, die scheinbar allmächtig »Sicherheit produzieren« - bürgerrechtlichem Engagement weicht.

Der Europa-Abgeordnete lässt im »nd«-Gespräch erkennen, dass er nicht einer dieser »ewigen Nein-Sager ist«. Beispiel Cyberkriminalität. Die »Sparte« ist im Aufwind. Dabei sei, so meint auch Albrecht, eine europäische Gegenstrategie wichtig, Europol müsse ein eigenes Abwehrzentrum bekommen, die Vernetzung der Polizeibehörden müsse verstärkt werden, Beamte bräuchten mehr Kompetenz. Der Grüne und andere, die auf dem Kongress auftreten werden, bekennen sich zu Polizeireformen. Doch wo immer der Begriff auftaucht, erwacht Argwohn.

Beispiel Brandenburg. Bis zum Jahr 2020 sollen bei der Landespolizei rund 2000 Stellen abgebaut werden. Trotzdem bleibe eine flächendeckende Präsenz der Polizei qualitativ und quantitativ auf heutigem Niveau, sagt Innenminister Dietmar Woitke (SPD).

Die Gewerkschaft der Polizei widerspricht, verweist darauf, dass auch die Überalterung der Beamten zum Problem wird. Weil der kleine Koalitionspartner - die LINKE - Druck machte, bewegt sich jetzt die SPD und kippte im Polizeibereich die Rente mit 67.

Beispiel Baden-Württemberg. SPD-Innenminister Reinhold Gall hat jüngst den Start der Landespolizeireform um ein halbes Jahr verschoben. Dass die angekündigte Verschlankung in der Führung zu mehr Sicherheit führt, glaubt kaum jemand. Ungewiss sind darüber hinaus die Kosten der Reform. Auch im Bundestopf, in dem Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) derzeit kräftig personell umrührt, ist man weit weg vom Umsetzen jener Ideen, die die Werthebach-Kommission vor über einem Jahr zusammengestellt hat.

Albrechts Tipp: Anmeldungen zum Grünen Polizeikongress »sind noch möglich - sicher und ganz einfach via Internet.«

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