nd-aktuell.de / 04.10.2012 / Politik / Seite 14

Wo Geheimes nicht geheim bleibt

In Niedersachsen wird gehäuft Vertrauliches öffentlich - ein Wahlkampfthema?

Hagen Jung
Hat ein Landrat vertrauliche Atommüll-Infos ausgeplaudert? Verrät ein »Maulwurf« Geheimes aus Ermittlungsakten zur Wulff-Affäre? Solche Fragen geistern zurzeit über die politische Bühne in Niedersachsen.

Spekulationen über Geheimnisse erregen stets besondere Aufmerksamkeit. Politstrategen wissen dies, und so bieten entsprechende Vorkommnisse willkommene Munition für den Wahlkampf bis zur Entscheidung über ein neues Landesparlament im Januar 2013. Zwei Geschichten um Vertrauliches sorgen zurzeit für Hickhack in Hannover. Es geht um Brisantes - einen Atommülltransport - und um Pikantes: um Ex-Bundespräsident Christian Wulff.

Wer alarmiert Greenpeace?

Fall eins: Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hatte gehofft, der Termin für den Transport atomarer Mischoxyd-Brennelemente vom britischen Sellafield ins niedersächsische Atomkraftwerk Grohnde bliebe geheim. Doch der Reiseplan für die strahlende Fracht kam vorfristig an die Öffentlichkeit, sodass sich die Atomkraftgegner gut vorbereiten konnten. Schon in der Wesermündung wurde das mit den plutoniumhaltigen Elementen beladene Schiff »Atlantic Osprey« von Greenpeace-Aktivisten in Booten empfangen. An Land setzte sich der Protest vehement fort.

Seinem Ärger über das Bekanntwerden des Termins machte Schünemann nun im Landtag Luft. Der Minister ließ durchblicken, wen er für die undichte Stelle hält: den Landrat des Kreises Wesermarsch, Michael Höbrink (SPD). »Wir müssen uns das dienstrechtlich genau anschauen«, drohte der oberste Sicherheitswächter des Landes. Prompt sekundierte ihm CDU-Fraktionschef Björn Thümler und donnerte in einer wahlkampfmäßig umfangreichen Erklärung, der Landrat habe seine Geheimhaltungspflicht verletzt, dies sei eine schwere Verfehlung. Höbrink weist die Vorwürfe zurück und spricht von »boshaften Unterstellungen«. Nun ermittelt die Polizeidirektion Oldenburg.

Fall zwei: Die SPD-Fraktion fragt, ob auf staatlicher Ebene ein »Maulwurf« Journalisten allerlei Vertrauliches aus Ermittlungsakten zur »Causa Wulff« zuspielt, so auch Informationen, die Hintergrund für einen aktuellen Bericht im »Spiegel« sein könnten. Wie das Magazin schreibt, soll Wulff als Ministerpräsident den Siemenskonzern gebeten haben, die Produktion eines Spielfilms über den Siemens-Manager John Rabe finanziell zu unterstützen. Rabe hatte im Zweiten Weltkrieg in China vielen Tausend Menschen das Leben gerettet. Produzent des Films ist Wulffs spendabler Freund David Groenewold. Er wiederum soll den Regierungschef gebeten haben, »einen Kontakt zu Siemens herzustellen«. Wenige Tage, bevor dies geschah, habe Wulff mit Groenewold - auf dessen Kosten - eine Feier auf dem Münchner Oktoberfest besucht. Mögliche Zusammenhänge prüft die Staatsanwaltschaft. Sie ermittelt gegen Wulff wegen Verdachts der Vorteilsannahme in seiner Zeit als Ministerpräsident.

Wer füttert den »Spiegel«?

SPD-Fraktionschef Stefan Schostok erinnert an zwei ähnliche Vorfälle: Im August und Juni waren Vertraulichkeiten aus dem Wulff-Verfahren an die Presse gelangt. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover, Jürgen Lendeckel, hatte seinerzeit gemutmaßt, der »Maulwurf« könne aus den Reihen der Staatsanwaltschaft, der Polizei oder »aus dem politischen Apparat« kommen. Eine Anfrage der SPD dazu hat Justizminister Bernd Busemann jetzt beantwortet. Er schreibt, sowohl die Ermittlungsbehörden als auch die Landesregierung achteten auf Verschwiegenheit. Zu bedenken sei aber, dass »im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens Akteninhalte zahlreichen Personen in zulässiger Weise bekannt werden«.

Die aktuelle Veröffentlichung zur »Causa Wulff« nutzt die SPD, um das Wählervolk zu erinnern: Wiederholt habe die Landesregierung auf Anfragen der Landtagsopposition zur Wulff-Affäre ausweichend geantwortet, »mit Wortgetöse und juristischen Spitzfindigkeiten«.