Rasmussens Rückzug

Änderung der Afghanistan-Strategie? Alles nur ein Missverständnis

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.
Der Rückzug aus Afghanistan könnte beschleunigt werden, hatte der NATO-Generalsekretär dem britischen »Guardian« gesagt. Seine Sprecherin berichtigte ihren Chef umgehend per Twitter.

Der NATO-Generalsekretär sei falsch verstanden worden. Man habe seine Worte zudem aus dem Zusammenhang gerissen, sagte NATO-Sprecherin Oana Lungescu. Der in London erscheinende »Guardian« hatte nach einem Gespräch mit Anders Fogh Rasmussen dessen Ansicht wiedergegeben, dass man - wenn es die Sicherheitslage zulässt - die ISAF-Truppen nicht nur umschichten, sondern schon vor 2014 aus Afghanistan zurückziehen könnte.

Die Äußerung kam zur Unzeit. Der Krieg geht am 7. Oktober in sein elftes Jahr. Nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen muss man seitdem bis zu 150 000 Tote beklagen. Allein die USA haben für den Waffengang schon 552 Milliarden Dollar Steuermittel verprasst und 2130 tote US-Soldaten heimholen müssen.

In der kommenden Woche treffen sich die Verteidigungsminister der NATO in Brüssel. Auch um über den Fortgang des Abzugs aus Afghanistan zu beraten. Der verläuft planmäßig - heißt es offiziell. Doch es wächst Unmut über die Entwicklung in Afghanistan. Da sind zum einem die personellen Umbesetzungen, die Afghanistans Präsident Hami Karsai ohne Rücksprache mit seinen ausländischen Schutzmächten vornimmt. Nachdem er bereits vor Wochen Gouverneure abgesetzt hat, um Leute aus seinem Umfeld einzusetzen, deutet sich nun eine neue Runde im Machtpoker an.

Zum anderen sind die NATO-Kommandeure aufgebracht ob der zunehmenden »Insider-Angriffe. 52 NATO-Soldaten wurden bislang hinterrücks von »Kameraden« aus der afghanischen Armee und der Polizei umgebracht. Man ist sicher, dass es Aufständischen gelang, in die afghanischen Sicherheitskräfte einzusickern. Entsprechend gering ist das Interesse vieler NATO-Staaten, die Ausbildung von afghanischen Soldaten und Polizisten über das Abzugsjahr 2014 hinaus fortzusetzen.

Die Eurokrise und die daher schrumpfenden Militärbudgets in europäischen NATO-Staaten sind ein weiteres Argument für einen raschen Abzug ohne Weiterverpflichtung. Gerüchte über Änderungen in der Abzugsplanung werden von der Bundeswehr besonders argwöhnisch bewertet. Den Deutschen kommt beim Rückzug eine bedeutende Rolle zu, da wichtige Transportstrecken durch den von ihr zu sichernden Norden verlaufen. Erst am Montag waren dort wieder deutsche ISAF-Soldaten in schwere Kämpfe verwickelt.

Neben Logistikern beordert das Auslandsführungskommando derzeit mehr Kampftruppen und entsprechende Ausrüstungen nach Afghanistan. Auf der im September veranstalteten Berliner Luftfahrtmesse ILA hat der Rüstungskonzern EADS der Bundeswehr vier Kampfhubschrauber »Tiger« übergeben, die für den Einsatz in Afghanistan optimiert wurden. Sie sollen ab Jahresende den Abziehenden Deckung aus der Luft geben.

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