David Cameron - Absteiger des Jahres

Britische Konservative treffen sich in Birmingham zum Parteitag

  • Ian King, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Von schlechten Umfragewerten erschüttert, treffen sich die britischen Konservativen ab Sonntag zum Parteitag in Birmingham. Ihr Slogan lautet: Führerschaft für eine bessere Zukunft. Wirklich?

David Cameron, Börsenmaklersohn und Eton-Zögling, hat sich das Regieren einfacher vorgestellt. Fast ohne Atem zu holen wurde der einstige politische Berater eines Finanzministers Abgeordneter, Parteichef und Premier. Auch wenn er in der Wirtschaftskrise beschwor, alle Briten säßen im selben Boot, teilte Cameron das eigene Luxusschiff höchstens mit Arrivierten des vornehmen Londoner Notting Hill.

Dabei hat es der Tory-Chef anders als seine Vorgänger geschafft, der Labour Party den Schlüssel für Downing Street Nr. 10 zu entreißen. 2010 gewann er fast 90 zusätzliche Mandate für seine vorher als Hort von Snobs und Ganoven belächelte Partei. »Cameron hat die Tory-Marke entgiftet«, jubelten seine PR-Leute, es sei nicht mehr die »garstige Partei«. Dass er mangels absoluter Mehrheit eine Koalition mit den Liberalen eingehen musste, schien nicht tragisch, denn er zwang seinem nachgiebigen Stellvertreter Nick Clegg in allen Bereichen der Politik seinen Willen auf.

Aber trotz drakonischer Sparmaßnahmen auf Kosten der Schwächsten gesundete die Wirtschaft nicht. Aus dem englischen Patienten, der sich unter Labour auf dem Weg der langsamen Erholung befand, wurde unter Finanzminister George Osborne ein Dauerinvalide. Das Bruttoinlandsprodukt ist nicht nur ungleicher verteilt als bei Camerons Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren, sondern es ist kleiner geworden. Kein Wunder: Arbeitslosen, Geringverdienern, sogar Behinderten werden Staatshilfen gekürzt, um die Reichen mit milden Gaben zu beglücken. Die Millionärssteuer wird von 50 auf 45 Prozent gesenkt. Derweil wird der vom Steuerzahler finanzierte Nationale Gesundheitsdienst zur Privatisierung und zur Bereicherung US-amerikanischer Großfirmen freigegeben. Chaos auch beim Beauftragen privater Bahnbetreiber: fast 50 Millionen Euro jüngst in den Sand gesetzt. Chaos beim Bau neuer Atomkraftwerke: Der chinesische Hauptbewerber steigt aus dem Bieterverfahren aus. Wohin man blickt: falsche Ziele, mangelhafte Ausführung, ein hilfloser Premier.

Bisher schien Cameron zumindest von persönlichen Rivalitäten verschont. Aber in Person des wiedergewählten Londoner Oberbürgermeisters Boris Johnson ist ihm ein allgegenwärtiger Widersacher in der eigenen Partei erwachsen. Und beim Labour-Parteitag brillierte Oppositionsführer Ed Miliband mit einer Rede, in der er die bewusste Teilung Britanniens in Arm und Reich geißelte und als Kronzeugen ausgerechnet Benjamin Disraeli mit seinem Konzept der »einen Nation« zitierte. Disraeli war konservativer Premier in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Miliband will Britannien nach eigener Aussage wieder zusammenführen.

Dagegen bieten die »Cameroons« ein Bild des Jammers. Tory-Geschäftsführer Andrew Mitchell zerstritt sich in Downing Street mit dem diensthabenden Polizisten und schimpfte ihn lauthals einen »Pleb«, also einen Plebejer. Das schien Milibands These zu bestätigen. Vor Monaten schon brachte es die konservative Hinterbänklerin Nadine Dorries auf den Punkt, als sie Cameron und Osborne »zwei reiche Schnösel« nannte, »die nicht wissen, was ein Liter Milch kostet«. Beim Parteitag darf Dorries nicht aufs Podium, doch ihre Worte verhallen nicht.

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