nd-aktuell.de / 26.10.2005 / Ratgeber

»Unechte Datschen« - Lauben oder fester Wohnsitz?

Am heftigsten umstritten sind und waren im Rahmen der Sachenrechtsbereinigung wohl die Fälle der so genannten unechten Datschen. Dabei wurden auf Grund von Verträgen, die eigentlich nur die Erholungsnutzung zuließen, zu DDR-Zeiten auf dem Grundstück zum Wohnen geeignete und auch genutzte Bauwerke mit Billigung staatlicher Stellen errichtet wurden. Und der Nutzer hatte dort zum Zeitpunkt des Beitritts der DDR zur BRD seinen Lebensmittelpunkt (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Sachenrechtsbereinigungsgesetz - SachenRBerG).
Der Bundesgerichtshof hat in einem weiteren Urteil (vom 13. Juni 2005, Az. V ZR 191/04) wiederum die Anspruchsvoraussetzungen für derartige Fälle konkretisiert. Es handelte sich hierbei um den Fall einer ursprünglich errichteten Wohnlaube in einer Kleingartenanlage, bei dem streitig war, ob die Wohnlaube nach dem 8. Mai 1945 errichtet wurde, ob sie zum Dauerwohnen geeignet ist und ob sie zum Beitrittszeitpunkt am 3. Oktober 1990 dem klagenden Nutzer und seiner Frau als Wohnung gedient hat. Der Bundesgerichtshof hat sich in diesem Urteil, wie auch in anderen jüngeren Urteilen, weniger restriktiv bei der Feststellung der Voraussetzungen einer Anspruchsberechtigung nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz gezeigt und trägt damit der Lebenswirklichkeit in der DDR Rechnung. Im Ergebnis steht einer Feststellung der Anspruchsberechtigung nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz nicht entgegen, dass der Zeitpunkt und die rechtliche Grundlage der Errichtung der ursprünglichen Laube nicht aufgeklärt sind. Ausreichend ist - und das wird vom BGH der Neuerrichtung einer solchen Laube nach dem 8. Mai 1945 gleichgesetzt -, dass der Nutzer nach diesem Zeitpunkt das Eigentum an einem Wohngebäude erlangt hat und das bis hin zum Errichter des Gebäudes nachweisen kann. Der Bundesgerichtshof hat in einem vielfachen Streitpunkt hinsichtlich der Einbeziehung der so genannten unechten Datschen, nämlich des Lebensmittelpunktes des Nutzers auf dem Grundstück zum Zeitpunkt des Beitritts, Klarheit geschaffen. Es kommt immer auf die Verhältnisse aller derjenigen an, die Nutzer sind, d. h. bei intakter Ehe auch auf beide Ehegatten. Folglich musste also die Familie zum Beitrittszeitpunkt ihren Lebensmittelpunkt auf dem Grundstück genommen haben. Darzulegen und zu beweisen hat dies der Nutzer. Die ihm obliegende Beweislast wurde ebenfalls vom Bundesgerichtshof ausdrücklich festgestellt. Klargestellt hat der Bundesgerichtshof jedoch auch, dass es der Annahme des Lebensmittelpunktes auf dem Grundstück nicht entgegensteht, wenn der Nutzer sich zeitweilig an anderer Stelle aufhält. Die polizeiliche Meldung und die Aufgabe einer Stadtwohnung seien lediglich signifikante Indizien für den Lebensmittelpunkt und würden besonderes Gewicht genießen, sie stellten jedoch nur einzelne Aspekte in der Gesamtbetrachtung dar. Der Lebensmittelpunkt ist demzufolge auch durch andere Umstände nachweisbar. Insofern hat der Bundesgerichtshof Klartext gesprochen. Er hat den in untergerichtlicher Rechtsprechung vertretenen Auffassungen eine Absage erteilt, wonach allein anhand dieser formalen Aspekte Meldewohnsitz und Aufgabe einer Stadtwohnung entschieden wurde. Neben vorstehenden Gesichtspunkten hat der Bundesgerichtshof die zurückliegende Rechtsprechung zu den so genannten unechten Datschen, insbesondere manifestiert in seinen Urteilen (vom 30. April 2003, Az. V ZR 361/02, vom 3. Mai 2002, Az. V ZR 246/01 und vom 6. April 2001, Az. V ZR 438/ 99), bekräftigt, die sich wie folgt zusammenfassen lässt: 1. Es bedarf der Feststellung eines Vertragsverhältnisses, dass der Nutzungsvertrag im Sinne der §§ 312 ff. ZGB DDR zu qualifizieren ist. Es ist gleich, ob der Nutzer dieses Nutzungsverhältnis zu Zeiten der Geltung des ZGB seit dem 1. Januar 1976 oder aber zu Zeiten der Geltung des BGB in der DDR begründet hat. 2. Für die Zuständigkeit der Sachenrechtsbereinigung ist es nicht erforderlich, dass der Nutzer selbst ein als Wohnhaus geeignetes und hierzu dienendes Gebäude errichtet hat. Der Eigenerrichtung gleichzusetzen ist der Fall, bei dem die mit staatlicher Billigung durchgeführten Umbauten von Wochenendhäusern zu Wohngebäuden einer Neuerrichtung gleichkommen. Aus einer (wenigstens) vorliegenden baulichen Genehmigung solcher Umbauten folgt auch die staatliche Billigung zur Umnutzung zu Wohnzwecken. Ebenso wie eine Eigenerrichtung führt der Erwerb eines Wohngebäudes zur Nutzerstellung und Anspruchsberechtigung nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz. Die muss jedoch durch eine geschlossene Kette von Verkaufsfällen bis hin zu demjenigen, der das Gebäude einst errichtet hat, oder dessen Rechtsnachfolger, begründet werden. 3. Die Einordnung als Eigenheim im Sinne der Sachenrechtsbereinigung erfordert lediglich eine Feststellung, dass das Bauwerk den bautechnischen Anforderungen für eine Wohnnutzung nach den Maßstäben der DDR erfüllt hat. Dies gilt selbst dann, wenn nach der Wende diese bautechnischen Voraussetzungen für die Bewohnbarkeit wegfielen oder wenn heute dafür keine Genehmigungen erteilt würden. Dies kann unter bestimmten Voraussetzungen lediglich Einreden gegen die Durchführung der Sachenrechtsbereinigung begründen. Es bleibt zu hoffen, dass mit dieser neuerlichen höchstrichterlichen Klärung das rechtliche Instrumentarium existiert, auch die noch streitigen Grenzfälle rechtlich zu bereinigen. FRANK AUERBACH, Rechtsanwalt, Dr. Arzinger & Partner