Woche des Sehens gestartet

Veranstaltungen stärken Blick für sehbeeinträchtigte und blinde Menschen / Barrierefreiheit im Nahverkehr gefordert

  • Andreas Jacob
  • Lesedauer: 2 Min.

Zum elften Mal veranstaltet ein Aktionsbündnis die deutschlandweite »Woche des Sehens«. Im Mittelpunkt steht seit Montag bis zum 15. Oktober das Erleben von sehbeeinträchtigten und blinden Menschen. Das aktuelle Motto lautet: »Wir sehen uns!«

In der Hauptstadt engagiert sich unter anderem das Blindenhilfswerk Berlin (BHW). Mit der Fotoausstellung »Die Sicht der Anderen« versuchen die Veranstalter zu zeigen, wie Blinde ihre Umwelt erleben. Acht blinde Fotografen hatten dazu über einen Zeitraum von vier Wochen täglich fotografiert, was ihnen als besonders wichtig erschien. Aus den Bildern wurden je Fotograf fünf Motive ausgewählt, die zur Zeit im Steglitzer Einkaufszentrum »Boulevard Berlin« gezeigt werden. Die Schau startet allerdings in der Dunkelkammer: Eines der Bilder wird auf einer speziellen Folie als Relief abgebildet. Die Besucher sollen sich das Motiv ertasten und später unter den fünf Werken das richtige Bild wiedererkennen.

»Bislang ist die Resonanz überaus positiv«, freut sich Thomas Schmidt nach dem ersten Ausstellungstag. Der BHW-Sprecher ist selbst blind. Für ihn als Betroffenen gehe es bei der »Woche des Sehens« darum, Berührungsängste abzubauen. »Ein typisches Problem: Ich stehe an der Haltestelle, an der mehrere Busse fahren. Woher weiß ich, welcher Bus in welche Richtung fährt? Da ist es wichtig, dass die Leute sich trauen, mich anzusprechen.«

Abhilfe für dieses drängende Problem gäbe es: Linienansagen außerhalb von Bus und Bahn an den Haltestellen. »Bislang lehnt die BVG das ab, weil es die Sehenden angeblich stören würde«, kritisiert Paloma Rändel. Für die Sprecherin des Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenvereins Berlin (ABSV) ist die »Woche des Sehens« ein guter Anlass, um das Thema Barrierefreiheit in den Mittelpunkt zu rücken.

2500 Mitglieder zählt die Selbsthilfeorganisation, Schätzungen zufolge leben in Berlin 20 000 sehbeeinträchtigte und 6000 blinde Menschen. Sie alle seien auf Unterstützung angewiesen, etwa durch Blindenampeln oder Leitsysteme, betont Paloma Rändel. »Berlin ist auf einem guten Weg. Aber vieles ist nicht selbstverständlich.« So kritisiert die ABSV-Sprecherin, dass die BVG ihre Busse nicht mehr automatisch absenkt, sondern Blinde erst ein Signal geben müssen. »Wir verstehen Inklusion so, dass Sehbehinderte selbstverständlich mit einbezogen werden und nicht erst einen Knopf drücken müssen.«

Der ABSV lädt am Mittwoch ab zehn Uhr zu einem Tag der offenen Tür in das Haus der Berliner Blinden und Sehbehinderten in die Auerbacher Straße 7.

www.woche-des-sehens.de

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal