Auf rosa Schwingen

Ein griechischer Sommer von Olivier Horlait

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 2 Min.

Das Café heißt Aristoteles wie sein Besitzer (oder eher, schließlich ist dies eine französische Produktion: Aristote), aber sonst ist das einzige Dorf auf dieser griechischen Felseninsel ein ziemliches Kaff. Ein orthodoxes Kloster mit Mönchen, die sich mit Fahrradtouren fit halten, ein kleiner Markt, mehr ist da nicht. Die Mönche immerhin sind solche, mit denen man scherzen und die man um Rat fragen kann. Was den Nährwert von Oktopustinte auf Reis angeht, zum Beispiel - oder den Gattungsnamen eines schmutzig-grauen Vogelkükens, das man auf einem Frachter fand.

Yannis, dessen Mutter noch nicht lange tot ist, braucht dringend einen Freund, als er diesem Vogel, ein Pelikan, begegnet. Sein Vater (zottelmähnig, wie gewohnt, aber ohne die übliche Balkanfolklore: der serbische Regisseur Emir Kusturica) ist ihm eher Arbeitgeber als Vertrauter, ein Fischer, den die leeren Fischgründe zur Verzweiflung treiben. Yannis dagegen zögert keinen Moment, sein geerbtes Goldkreuz gegen einen verdreckten, erbarmungswürdig quietschenden Jungvogel einzutauschen, als der korrupte Frachterkapitän Bezahlung für das halb verhungerte Fundstück fordert.

Natürlich wird aus dem hässlichen »Entlein« mit viel Liebe, in Milch getauchtem Brot und reichlich Fisch ein rosa Riesenvogel, wie ihn außer den Mönchen noch niemand auf der Insel gesehen hat. Natürlich lernt der Pelikan auf jedes Wort des Jungen zu hören, wie das im Tier- und Kinderfilm nun mal so ist. Natürlich wird der Vater den Vogel entdecken, sich wegen des Tauschhandels mit dem Sohn anlegen und sein Messer gegen das Tier zücken. Und natürlich wird sich der Pelikan als Kraft zum Guten entpuppen, als einträglicher Touristenmagnet und idealer Spielgefährte für ein einsames, aber warmherziges und verantwortungsbewusstes Kind.

Schön auch, dass der Pelikan am Ende nicht nur als entbehrliches Mittel zum Zweck behandelt wird, um Vater und Sohn miteinander und mit der Trauer über den Tod der Mutter zu versöhnen. Bemerkenswert ist dieser ziemlich klassische Initiationsfilm aber auch durch Sätze wie den des Kneipiers, als ein Kunde in Kutte ihm nahelegt, für die Dauer des pelikanbedingten Touristenansturms eine Aushilfe einzustellen. Und Aristoteles antwortet: »Bist du verrückt - um die Staatskassen zu füllen?« Denn wozu braucht einer die offizielle Wirtschaft, solange es familiäre Ausbeutung und Schwarzarbeit gibt?

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