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Umbrüche der frühen Neuzeit

Günter Voglers Signaturen einer Epoche

  • Ilonka Ziethlow
  • Lesedauer: 2 Min.

Im Mai 1525, auf dem Höhepunkt des Bauernkriegs, urteilte Martin Luther in einem Brief, die Bauern seien Mörder und Räuber, sie wollten »neu Ordnung machen in der Welt, deß sie von Gott weder Gebot, Macht, Recht noch Befehl haben.« Seinem Verdikt über die bäuerlichen Aufstände kann man nicht folgen, aber mit dem »neu Ordnung machen« benennt er ein Phänomen, das für die frühe Neuzeit, die Epoche vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, charakteristisch war. Es war eine Zeit des Auf- und Umbruchs, aber auch gegenläufiger Entwicklungen. Das macht sie so spannend.

Günter Vogler lehrte von 1966 bis 1996 deutsche Geschichte an der Berliner Humboldt-Universität. epräsentativ für sein Forschungsinteresse sind die hier ausgewählten 24 Beiträge. Es handelt sich sowohl um theoriegeschichtlich-systematische Studien als auch um Ergebnisse empirischer Forschung, die zwischen 1967 und 2008 unter unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen erarbeitet wurden.

Der Leser findet Untersuchungen zum Übergangs von Feudalismus zum Kapitalismus, zur Revolutionsproblematik in der frühen Neuzeit, aber auch zur Ausbildung von Grenzen und deren Visualisierung (mit anschaulichen Abbildungen). Hinsichtlich gesellschaftlicher Bewegungen ist vor allem auf die Texte hinzuweisen, die Aufschluss geben, wie der reformatorische Prozess in Städten verlief und welche Forderungen die aufständischen Bauern stellten.

Untersucht werden auch Ulrich von Huttens Rebellion gegen Papst und Kleriker und Eberlin von Günzburgs Gesellschaftsmodell in der Reformschrift »Wolfaria«. An Thomas Müntzer interessierte den Autor dessen Weg von der Kanzel zu den aufständischen Bauern und Bürgern sowie die Rolle von Gemeinnutz und Eigennutz für dessen Argumentation.

Wie weit gespannt das Interessenfeld des Autors ist, belegen Studien zu ständischen Strukturen und der Herausbildung bzw. Verhinderung absolutistischer Herrschaft in den Niederlanden, Dänemark, Mecklenburg, über das Verhältnis von absolutistischem Regiment und ständischer Verfassung in der Kurmark Brandenburg, zur Entstehung des preußischen Königtums 1701 sowie zur Auseinandersetzung mit der Französischen Revolution in Preußen.

Da mehrere Beiträge sich mit Luther und seiner Zeit beschäftigen, ist es legitim, an die im Vorfeld des Reformationsjubiläums 2017 ausgerufene Lutherdekade zu erinnern. In diesem Zusammenhang wird oft angemahnt, das Interesse nicht allein auf den Wittenberger zu konzentrieren, sondern auch seine Umwelt, seine Widersacher stärker in den Blick zu nehmen. Dabei kann dieser Band sehr hilfreich sein.

Günter Vogler: Signaturen einer Epoche. Beiträge zur Geschichte der frühen Neuzeit. Hg. von Marion Dammaschke. Weidler. 601 S., geb., 79 €.

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