Ablenkungsmanöver einiger Politiker

  • Werner Reh
  • Lesedauer: 3 Min.

Nur ein Don Quichote würde so etwas versuchen. Das Problem fehlenden Geldes zum Erhalt von Straßen, Brücken und der Verkehrsinfrastruktur insgesamt lässt sich mit einer City-Maut nicht ansatzweise lösen. Die Debatte um die Einführung einer solchen Maut lenkt hingegen nur von den wirklichen Aufgaben bei der Verkehrsfinanzierung ab.

Worum geht es nun tatsächlich? Über die Lkw-Maut nimmt die Bundesregierung derzeit pro Jahr 1,5 Milliarden Euro mehr ein, als sie für den Erhalt von Bundesfernstraßen und die Sanierung von Brücken ausgibt. Weil die Lkw-Maut bisher lediglich auf Bundesautobahnen und seit kurzem auch auf rund 1000 Kilometer Bundesstraßen erhoben wird, fließt aus diesen Einnahmen nichts an Kommunen und Länder, obwohl die Lkw auch deren Straßen und Brücken kaputt fahren. Hinzu kommt, dass auch der Erhalt des öffentlichen Personennahverkehrs - man denke etwa an teure U-Bahnen, die jetzt »in die Jahre kommen« - eine dringend zu lösende Aufgabe ist, mit bislang ungesicherter Finanzierung.

Die Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Straßen und die Verringerung des Gewichts der Fahrzeuge, bei denen sie erhoben wird - dies würde auch leichte Nutzfahrzeuge einschließen -, wäre eine Variante, um im Sinne von »Verkehr finanziert Verkehr« die genannten Aufgaben zu lösen. Dafür würde ein einfaches GPS-basiertes Erfassungssystem benötigt, das die Straßennutzung der Fahrzeuge auf den verschiedenen Straßenkategorien erfasst und die Einnahmen den jeweils zuständigen politischen Ebenen zuweist. Die Mauttechnik wird 2015 neu ausgeschrieben. Dies bietet eine Chance für die Ausweitung der Lkw-Maut. Das muss jetzt vorbereitet und anschließend so schnell wie möglich umgesetzt werden.

Vordringlicher als eine City-Maut, die nie ein umfassendes Instrument zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs werden kann, sind die Reform und die Erhöhung der Investitionsmittel des Bundesprogramms für den öffentlichen Verkehr. Es besteht die große Gefahr, dass der Bundesfinanzminister die Diskussion um eine City-Maut nutzt, um mit Hinweis auf das Subsidiaritätsprinzip ab 2020 die Bundesförderung für den ÖPNV ganz abzuschaffen. Stattdessen muss sie die Umsetzung erfolgswirksamer Investitionsprojekte in vielen Städten ermöglichen.

Der City-Maut, der »congestion charge« in London und der sogenannten Gedrängel-Steuer in Stockholm werden positive Wirkungen nachgesagt: weniger Autoverkehr, deutliche Zuwächse des öffentlichen Nahverkehrs und die Reduktion von Schadstoffen wie Ruß und Stickoxide. In Deutschland ist der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) der glühendste Verfechter einer City-Maut, mit der er statt einer Umweltzone am liebsten das städtische Problem von Grenzwertüberschreitungen lösen würde.

Was leistet eine City-Maut wirklich? Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland hat im letzten Jahr in einem City-Ranking die Aktivitäten von 17 europäischen Städten bei Maßnahmen der Luftreinhaltung und der nachhaltigen Verkehrsplanung verglichen. Gewonnen hat Berlin vor Wien, Zürich und Stockholm. London hingegen war weit abgeschlagen. Die Berliner Umweltzone zeigt die besten Wirkungen bei der Schadstoffreduktion. Der Autoverkehr in ganz Berlin nahm um etwa den gleichen Anteil ab wie im kleinen Londoner Mautgebiet. Stockholm wiederum beeindruckt mit dem höchsten Anteil an öffentlichem Nahverkehr.

Für die Herausforderungen der Schadstoffreduzierung und des Klimaschutzes braucht es keine City-Maut. Und sie taugt auch nicht zur Lösung der Probleme bei der Verkehrsfinanzierung. Theoretisch bewirkt eine solche Maut sehr viel, in der Praxis wirken jedoch oft andere Faktoren bis hin zu negativen Effekten. So könnte sie auch zu weiteren Abwanderungen von Unternehmen und Einkaufszentren auf die »grüne Wiese«, also ins Umland führen. In Pilotprojekten aber sollte man die City-Maut durchaus erproben. Gerne auch in Tübingen.

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