Vertragsabschluss mit Kunstpause

Zeugenauftritte im Lübecker Thor-Steinar-Prozess

  • Dieter Hanisch, Lübeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Vermieter des Thor Steinar-Ladens in Glinde bei Hamburg wollen den Mietvertrag beenden. Sie seien getäuscht worden, erklärten sie vor Gericht. Es geht um die Frage, ob bei Vertragsabschluss mit verschiedenen Vertragsversionen gearbeitet wurde.

Beim Namen Thor Steinar gehen in der Regel alle Warnlampen an, ist diese Modemarke doch durch ihre Beliebtheit in der rechten Szene gebrandmarkt. Beim Abschluss eines Mietvertrages über einen Verkaufsladen mit entsprechendem Sortiment muss daher schriftlich darüber aufgeklärt werden. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Vor dem Landgericht in Lübeck wird seit einigen Monaten über eine Räumungsklage verhandelt, weil sich ein Vermieter in Glinde (Kreis Stormarn) von den Geschäftemachern mit der unliebsamen Textilmarke arglistig getäuscht sieht. Ein Urteil ist noch nicht gefallen. Seit Ladeneröffnung vor mehr als einem Jahr protestieren regelmäßig an sechs Tagen in der Woche Glinder vor dem Shop mit dem Namen Tønsberg.

Bewusste Täuschung?

Im Klageverfahren steht Aussage gegen Aussage. Die Mieter behaupten, sie hätten einen Mietvertrag unterschrieben bekommen, in dem auf alle Hintergründe zu Thor Steinar aufmerksam gemacht wurde. Die Vermieter streiten dies ab. Die Familie bekräftigt: In einem Vertragsentwurf, der vor Unterzeichnung des Mietvertrages Verhandlungsgegenstand war, hätten die brisanten Informationen gefehlt. Dem Vermieter war das als Entwurfspapier gekennzeichnete Vertragsexemplar auch ausgehändigt worden, doch nach Leistung der Vermieter-Unterschrift war jenes Exemplar dann plötzlich wie vom Erdboden verschwunden.

Die Klägerseite spricht nun von einer bewussten Täuschung mit unterschiedlichen Vertragsversionen, Vertreter der beklagten Bestmarke Textil GmbH aus dem brandenburgischen Mittenwalde weisen den Vorwurf zurück. Sie bezeugten vor dem Landgericht, es wurden drei textgleiche Exemplare vorgelegt.

Beim Auftritt im Zeugenstand wurde deutlich, wer hinter der besagten Textilfirma steckt und welche Personen in die Geschäfte involviert sind. Da ist zum einen der Bestmarke-Geschäftsführer Thomas Pohlandt, der der Vertragsunterzeichnung nicht beiwohnte, die Papiere aber zur Vorlage bereits unterschrieben hatte. Vorgelegt wurden diese durch das Trio Uwe Meusel, Franciska Krebs und Matthias Preisler. Meusel selbst ist Gesellschafter und zählt zu den Gründern der Marke Thor Steinar. Krebs bezeichnete sich als Gebietsleiterin. Der angehende Mittfünfziger Preisler aus dem Osterzgebirge versucht sich nach eigenen Angaben als Freiberufler in Akquise, indem er auf Provisionsbasis bundesweit Geschäftsräumlichkeiten für die inkriminierte Markenkette ausguckt, dann als »Verhandlungsanbahner« fungiert, aber auch - wie nicht nur im Fall Glinde - aktiv bei der Vertragsgestaltung mitwirkt.

2006 agierte Preisler für geraume Zeit auch selbst als Gesellschafter der Blond Textil- und Schuhvertriebs GmbH mit einem Laden in Dresden, der dort Thor Steinar-Kleidung anbot und genau wie der in Glinde den Namen Tønsberg trug. Besagte Gesellschaft existiert inzwischen nicht mehr.

Am Vertragswerk, über das gestritten wird, hat außerdem noch Rechtsanwalt Roman Petereins mitgewirkt. Mit Schreibmaschine soll im Vorjahr in dessen Kanzlei beim Passus Mietzweck noch detailliert ein Hinweis auf Thor Steinar eingetippt worden sein. Petereins ist vor dem Lübecker Landgericht auch »Bestmarke«-Rechtsvertreter.

Die Sache mit der Jacke

Das Verhandlungstrio hatte Ende Juli 2011 in Glinde den Vertragsentwurf überreicht, ehe es noch einmal für zwei Stunden zum Essen nach Hamburg fuhr. Den Vermietern in Glinde wurde erzählt, man wolle sich noch ein weiteres Ladenobjekt in Schwarzenbek (Kreis Herzogtum Lauenburg) ansehen. Nach Rückkehr in Glinde holte man dann die Unterschriften des Vermieters ein.

Viele Dinge, die Preisler ausgesagt habe, hätten nicht gestimmt, sagte die Ehefrau des Vermieters, die im Gerichtssaal als Zuhörerin saß, nach der Verhandlung. Dazu zählte sie auch die Aussage, dass Preisler in Glinde eine Sweat-Jacke mit großem Thor Steinar-Aufdruck getragen haben will.

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