CDU bangt um Erbhof Stuttgart

Neun Kandidaten, aber zwei Favoriten vor der Oberbürgermeisterwahl

  • Gesa von Leesen
  • Lesedauer: 3 Min.
Beim zweiten Wahlgang der Stuttgarter OB-Wahl in einer Woche hat Fritz Kuhn gute Chancen gegen den Mann von der CDU. Sollte Kuhn gewinnen, würde er der erste Grünen-Oberbürgermeister einer Landeshauptstadt. Die CDU warnt bereits vor der grünen Übermacht im Ländle.

Am Freitag reiste Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich an, um den Kandidaten der CDU, den parteilosen Sebastian Turner, auf einer Wahlkampfveranstaltung zu unterstützen. In einer Woche werden die Stuttgarter endgültig entscheiden, wer neuer Oberbürgermeister der baden-württembergischen Landeshauptstadt wird. Dann steht der zweite Wahlgang an, und inzwischen ist klar: Fritz Kuhn (Grüne) hat gute Chancen gegen Turner. Zwei Kandidaten aus dem ersten Wahlgang haben inzwischen erklärt, nicht mehr anzutreten: Bettina Wilhelm (parteilos), die für die SPD ins Rennen gegangen war, und Hannes Rockenbauch (Stuttgart Ökologisch Sozial, SÖS) haben zurückgezogen. Und da anzunehmen ist, dass Wilhelm und Rockenbauch Wähler angezogen haben, die eher Richtung Grün tendieren, darf Kuhn sich berechtigte Hoffnungen machen, in den kommenden acht Jahren das Stuttgarter Rathaus zu führen. Zumal im zweiten Wahlgang die einfache Mehrheit reicht.

Im ersten Wahlgang hatte der grüne Bundestagsabgeordnete Platz eins belegt, lag mit 36,5 Prozent der Stimmen knapp vor dem Multimillionär und Werbefachmann Turner (34,5 Prozent). Es folgten Wilhelm (15,1 Prozent) und Rockenbauch (10,4 Prozent). Den Rest teilten sich die anderen zehn Kandidaten, darunter Harald Hermann (Piraten 0,5), der genauso viel schaffte wie der Kandidat der »Partei« (Titanic).

In Baden-Württemberg ist beim zweiten Wahlgang keine Stichwahl vorgesehen. Jeder kann noch mal oder sogar erstmalig antreten. Am Donnerstag teilte der Wahlausschuss mit, dass noch neun Kandidaten im Rennen sind. Klar ist aber: Es geht um Kuhn oder Turner. Würde der Grüne gewinnen, wäre das für Stuttgart ein Novum. Die Stadt hat seit Kriegsende nicht viele OB gesehen. Dem parteilosen Arnulf Klett folgten nur CDU-Mitglieder. Zuerst der vor allem bei Älteren unvergessene Manfred Rommel, dann Lothar Späth und in den letzten 16 Jahren Wolfgang Schuster, der nicht mehr antritt.

Stuttgart war also eigentlich ein Erbhof der Christdemokraten - so jedenfalls das Gefühl in der Partei. Umso größer ist nun das Bangen um den Posten, der von der regionalen Presse gerne als »der zweitwichtigste nach dem Ministerpräsidenten« bezeichnet wird. Dass ihr Kandidat, der innerparteilich umstritten ist, so schlecht abgeschnitten hat, führt die CDU auch auf die geringe Wahlbeteiligung von 46,7 Prozent zurück. Nicht mal das eigene Lager mobilisierte Turner mit seinem Wahlkampf, dessen Symbol eine Laugenbrezel ist.

In der CDU setzt man nun auf die SPD-Wähler. Deren Kandidatin Wilhelm hat bei ihrem Rückzug zwar keine Wahlempfehlung abgegeben, der Stuttgarter Kreisvorstand aber sehr wohl. Einstimmig beschloss er, den SPD-Wählern zu empfehlen, im zweiten Wahlgang das Kreuz bei Kuhn zu setzen. Der hat sich bereit erklärt, Wilhelms 100-Millionen-Euro-Programm für bezahlbare Wohnungen zu übernehmen. Kuhn gibt sich bereits siegesgewiss: »Es wird einen neuen OB geben, und der wird Fritz Kuhn und nicht Sebastian Turner heißen.«

Für die Wähler von Hannes Rockenbauch ist vor allem eines klar: Sie wählen nicht CDU. Rockenbauch sitzt für die SÖS in Fraktionsgemeinschaft mit der Linkspartei im Stuttgarter Stadtrat und ist mit seiner frechen Klappe einer breiten Öffentlichkeit vor allem durch die Heiner-Geißler-Schlichtung zu Stuttgart 21 bekannt geworden. Entsprechend versammeln sich um ihn vor allem die entschiedenen Gegner des Bahnhofsprojektes. Bei ihnen stellt sich eher die Frage, ob sie Kuhn trauen. Denn nicht wenige der S 21-Gegner sehen in den Grünen »Verräter«, weil das Land nun unter dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann den unterirdischen Bahnhof baut. Vielleicht lassen sie sich von der CDU motivieren. Denn deren Landeschef Thomas Strobl erklärte nun: »Mit einem Grünen in der Villa Reitzenstein (dem Sitz des Ministerpräsidenten, die Red.) und einem Grünen als OB im Stuttgarter Rathaus stirbt Stuttgart 21.«

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