nd-aktuell.de / 13.10.2012 / Politik / Seite 3

Eine Heimat für die Sorben

Der Vorsitzende David Statnik hält das Modell Domowina auch nach 100 Jahren für praktikabel, setzt aber auf mehr Basisdemokratie

Der 29 Jahre alte David Statnik, der als Bühnentechniker im Deutsch-Sorbischen Nationalensemble arbeitet, führt die Domowina seit März 2011. Er wurde damals der zweitjüngste Vorsitzende des Verbands. Über dessen Zukunft sprach mit ihm nd-Korrespondent Hendrik Lasch.

nd: Warum gilt die Gründung der Domowina als »mutigster Schritt« in der Geschichte der Sorben?
Statnik: Die Sorben hat es nie dazu gedrängt, einen Staat bilden oder herrschen zu wollen. Sie waren lange ein Volk der Unterdrückten, was auch daran lag, dass der Großteil der Sorben auf dem Land lebte. Die Gründung der Domowina am 13. Oktober 1912 war deshalb ein mutiger Schritt. Man erkannte: Wenn eine Minderheit ihre Eigenständigkeit bewahren will, muss sie sich artikulieren und gegen Widerstände behaupten.

Die Gründer wollten, dass sich alle Sorben »als Söhne eines Volkes« verstehen. Wie aktuell ist das heute für die Söhne und Töchter?
Der Begriff Domowina leitet sich ja vom Wort »Heimat« ab. Es ging darum, allen Sorben einen Hort zu geben. Das Anliegen bleibt aktuell. Europäisch zu denken heißt auch zu wissen, wo die Wurzeln sind. Das Emblem der Domowina zeigt nicht zufällig eine dreiblättrige Linde samt Wurzeln als Symbol der Heimat der Sorben: die Oberlausitz, die mittlere Lausitz und die Niederlausitz.

Wie viele Sorben vertreten sie?
Wir haben 7200 Mitglieder, also deutlich mehr als zehn Prozent der etwa 60 000 Sorben. Zum Vergleich: In der sächsischen CDU sind unter 0,5 Prozent der Sachsen Mitglied.

Manche fordern ein Parlament als stärker demokratisch legitimierte Vertretung. Wird die Domowina künftig eine Fraktion in diesem »Sejmik«?
Ich glaube nicht, dass es zu einem Sorbenparlament kommen wird, und zwar aus praktischen Gründen. In der Bundesrepublik herrscht Bekenntnisfreiheit. Das heißt: Jeder kann sich frei als Sorbe bekennen. Es heißt auch: Der Staat darf das nicht prüfen. Das macht es unmöglich festzustellen, wer wahlberechtigt wäre. Und auch eine regionale Abgrenzung funktioniert nicht.

Heißt das: Es kann bei der Domowina alles bleiben, wie es ist?
Wir haben eine Kommission, die überlegt, wie die Domowina im Jahr 2025 aussehen könnte. Wir sagen einerseits: Die Struktur als Dachverband von Vereinen bleibt trotz einiger Nachteile die praktikabelste Lösung, auch im Sinne gesetzlicher Festlegungen dazu, wie und von wem die Interessen der Sorben vertreten werden. Zugleich suchen wir nach Wegen, um auch Sorben stärker zu erreichen, die nicht Mitglied bei uns sind. Vielleicht werden der Vorsitzende und die Vertreter im Bundesvorstand in Zukunft nicht mehr von 150 Delegierten, sondern von einer breiteren Basis gewählt. Ich kann mir das gut vorstellen.