nd-aktuell.de / 19.10.2012 / Wissen / Seite 14

Prahlen, tarnen, täuschen

Lena Tietgen

In der Westernkomödie »Der große Bluff« von 1939 bringen professionelle Blender im Pokerspiel unbescholtene Siedler um Hab und Gut. Auch Plagiieren ist ein Bluff und nicht nur auf das Täuschen von Politikern bei Dissertationen beschränkt. Der »große Bluff« beginnt schon vorher. Auf taz.de erläutert der Uni-Professor Wolf Wagner, wie Studenten von Beginn an »prahlen, plustern, tarnen, täuschen« lernen, um voran zu kommen (bit.ly/V5Vnoz). In den Online-Kommentaren zeigt sich, dass das Problem wohl bekannt ist.

Thomas Sch. stellt fest »dass häufig einfache Zusammenhänge auf möglichst bombastische Formulierungen aufgeblasen werden. Diese fürchterliche Angeberei ist eine ätzende Landplage. Vom Journalisten bei Radio, TV oder Print über fast jeden Politiker und Dorfpolizisten bis hin zum Studenten und Professor vor Ort möchte jeder möglichst schlau daherreden.«

TrollCollect schreibt: »In dem, was hier ›Bluff‹ genannt wird, sieht Pierre Bourdieu einen wichtigen Teil der Erziehung zur Funktionselite. Bluffen ist nicht Nebenprodukt, sondern eigentliches Ziel; Inhalte sind eher nebensächlich, was auch für die diversen Business Schools gelten dürfte. Hier wird die Sozialisation zu einem Habitus vollendet, der zum Herrschen auf mittlerer Ebene befähigt. Die Bluff-Sprache dient dabei zweierlei Zwecken: Abgrenzung von und Beeindrucken der Untertanen, sowie Schaffung subtiler Merkmale der ›richtigen‹ Zugehörigkeit. Man erkennt sich am Habitus, was das ›Netzwerken‹ ungemein vereinfacht und die Plebejer besonders in formal gleichberechtigt-demokratischen Gesellschaften informell von Macht- und Einflusspositionen fernhält.«

Grafiker gibt zu bedenken, dass sich »auch im künstlerisch-kreativen Bereich viele Bluffer (finden). In Diskussionen überschätzen sie ihre Fähigkeiten oder zeigen sich unendlich überlegen. Ich fühle mich in deren Gegenwart unwohl, weil ich weiß, dass sie alle, die nicht zu ihren Freunden zählen, als minderwertig abstempeln. Am liebsten würde ich ihnen komplett aus dem Weg gehen, aber das wird schwierig.«