nd-aktuell.de / 19.10.2012 / Politik / Seite 15

Kollaboration oder Kooperation?

Zugegeben, die Überschrift mag in heutigen Tagen zum Thema Betriebsverfassungsgesetz und Mitbestimmung ein wenig anachronistisch oder reißerisch wirken. Die Worte benutzte beim Festakt »Das Erfolgsmodell Mitbestimmung - 60 Jahre Betriebsverfassungsgesetz« der DGB-Vorsitzende Michael Sommer. Oft habe er diese Frage gehört, sagte Sommer, aber »Gelebte Kooperation im Betrieb kann helfen, etwas zu retten«. Etwa in der Finanzkrise, als auf Drängen der Gewerkschaften Kurzarbeitsregelungen kurzfristig umgesetzt wurden, durch die etliche Arbeitsplätze gerettet werden konnten. Das stimmt. Und gerade dieses entschlossene Handeln in der Krise 2008/2009 hat dafür gesorgt, dass die Gewerkschaften an Ansehen in der Gesellschaft wieder enorm zugelegt haben.

Gegen betriebliche Mitbestimmung ist an sich auch nichts einzuwenden, doch es könnte wie immer etwas mehr sein - und vielleicht kann man das auch manchmal nur mit etwas weniger Kooperation erreichen.

Das Betriebsverfassungsgesetz schafft einen sozialen Ausgleich in der Marktwirtschaft, sagte Sommer. Eine wirkliche Demokratisierung der Wirtschaft schafft es jedoch nicht. Die Unternehmer sitzen letztlich am längeren Hebel. Die katastrophale Ausweitung des Niedriglohnsektors und die viel gelobte »Flexibilisierung« der Arbeits- und damit der Lebensverhältnisse zeigt das. Zu groß sind die Lücken und Schlupflöcher - wird die Leiharbeit durch einen Tarifvertrag eingeschränkt, kommen eben Werkverträge in Mode, um auf dem Rücken der mies bezahlten Lohnabhängigen Profit zu machen. Dann fordern die Gewerkschaften ein neues Gesetz oder die Anpassung des alten. Die Wirtschaft wird sich kaum freiwillig demokratisieren, da müssen Gesetze her. Die abzuarbeitende Liste fängt nicht beim allgemeinen Mindestlohn an und hört nicht bei der Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes auf.

Moderatorin Pinar Atalay begann den Abend mit der Feststellung, dass ihr die Gewerkschafter vor sechzig Jahren Tomaten um die Ohren geworfen hätten, hätte sie von einem »Festakt für die Mitbestimmung« geredet. Das ist heute nicht mehr so.