Enthusiasten für Zacken

Verein feiert 40 Jahre organisierte Russlandphilatelie in Berlin

  • Ariane Mann
  • Lesedauer: 4 Min.

Briefmarkensammeln war vor Jahrzehnten ein angesagtes Hobby. Aber heute - was macht die Marke im Zeitalter von elektronischer Post und SMS-Nachrichten noch zu einem begehrten Sammelobjekt oder verschwindet sie gar aus dem Blickfeld von Sammlern? »Keinesfalls«, meint Erhard Engelmann, Vorsitzender des Vereins der Briefmarkenfreunde Russlands / UdSSR Berlin e.V. Dennoch, so gibt auch er zu, »sind wir ein Altmänner-Verein und haben Nachwuchssorgen, wie alle Philatelisten«.

Engelmann, Jahrgang 1934, ist mit der »Sammelei« groß geworden. Die Auswahl an Arbeitsgemeinschaften in der Schule war zu seiner Zeit nicht sehr groß und das Hobby war bezahlbar. »Heute gibt es eine Vielzahl von anderen Möglichkeiten, und von den Jugendlichen interessiert sich kaum noch jemand für die Zacken.« Enthusiasten gibt es aber damals wie heute, die zum Tauschen und Fachsimpeln sich regelmäßig treffen. Heute allerdings kommen die Briefmarkenfreunde zum Feiern ins Russische Haus. Gemeinsam mit den Ehefrauen und bei russischer Küche wird man sich an 40 Jahre organisierte Russlandphilatelie in Berlin erinnern.

Gegründet wurde der Verein im September 1990. Hervorgegangen ist er jedoch aus dem 1972 gegründeten Berliner Bezirksfreundschaftskreis DDR-UdSSR des Philatelistenverbandes im Kulturbund. Heute wie damals steht im Mittelpunkt der Vereinsarbeit der 41 Mitglieder die Pflege, Förderung und Verbreitung der Philatelie der Sammelgebiete des Zarenreiches, der Revolutionszeit, des Bürgerkrieges, der RSFSR, der UdSSR und der Russischen Förderation sowie der Austausch von Kenntnissen und Erfahrungen aus allen Bereichen der Philatelie. Dazu gibt der Verein zweimal im Jahr Mitteilungen heraus, die auch von Nichtmitgliedern abonniert werden. Darüber hinaus existiert ein vereinseigener Rundsendedienst mit langer Tradition. Im Haus der Russischen Wissenschaft und Kultur, wo der Verein seinen Sitz hat, unterhält er eine kleine Bibliothek mit deutscher und russischer Fachliteratur zum Sammelgebiet.

An vielen Ausstellungen im Haus ist er mit einem »philatelistischen Teil« beteiligt. So im März diesen Jahres an der Ausstellung zum 75. Geburtstag von Walentina Tereschkowa und Sigmund Jähn oder im Juni zu »Verborgene Künstler«. Unter diesem Titel wurden anlässlich des 175. Jahrestages der Staatsdruckerei Gosnak Arbeiten berühmter Graveure und Grafiker gezeigt. Der Verein steuerte Briefmarken, die von diesen Künstlern gestaltet wurden, bei.

»Obwohl wir ein Berliner Verein sind, wohnen unsere Mitglieder auch in Leipzig, Cottbus, Frankfurt am Main oder Moskau«, meint der Vorsitzende. »Ein Philatelist ist nach der Wende aus München zu uns gekommen, da wir der älteste Verein in Bezug auf das Sammelgebiet sind und er an unserer Literatur interessiert war, denn unsere Mitteilungshefte gibt es seit 1976.« In diesen informativen handlichen Broschüren schreiben die Mitglieder über Neuheiten aus ihren Gebieten, gibt es Übersetzungen aus russischer Fachliteratur und vereinseigene Aktivitäten.

Als Schuljunge hat Engelmann alles gesammelt und mehr getauscht. Davon rät der Fachmann heute ab. Man sollte sich auf einzelne Themen oder besondere Stempel beschränken. Andere sammeln Postkarten oder Ganzsachen-Umschläge (mit eingedruckten Marken und Bildaufdruck). Auch weiß er, dass das, was die Philatelie interessant macht, mehr ist als nur die Marke. »Das Wesentliche ist, dass man sich weiterbildet, das man hinterfragt, was das Motiv bedeutet.« Es braucht viel Zeit, sich mit der entsprechenden Literatur zu befassen und Beständigkeit. Seit drei Jahren hat der leidenschaftliche Sammler für sich ein neues Gebiet entdeckt - Feldpost der Sowjetunion nach 1945. Engelmann, der im militärischen Hoch- und Fachschulwesen tätig war, hat ganze Schuhkartons mit Originalen in seiner Wohnung. Während er sich besonders für die Feldpostnummern interessiert, möchte seine Frau, eine gebürtige Leningraderin, mehr über die Inhalte wissen. Viele Abende sitzt er über seinen Sammlungen, bereitet sie zum Tauschen vor, informiert sich auf der russischen Internetseite Marka oder pflegt die Kontakte zu den Mitgliedern.

Das ist für ihn sehr wichtig. »Gerade wenn man älter ist, sollte man ein Hobby haben, um geistig fit zu bleiben, aber auch wegen der sozialen Kontakte.« Zum Ausgleich treibt der 78-Jährige mehrmals in der Woche Sport, »um nicht abzubauen«. »Das alles macht mir Freude, entspannt mich.« Ältere oder kranke Vereinsmitglieder besucht er in Heimen oder zu Hause. »Auch das macht einen Verein aus.« So besuchte er den kranken Ehrenvorsitzenden Walter Henze bis zu dessen Tod im August wöchentlich. »Nun haben wir einen engagierten Freund und tiefgründigen Kenner der Russlandphilatelie verloren, der zur landesweiten Anerkennung unseres Vereins beigetragen hat.« Der 87-Jährige Henze war es, der nd-extra einen Beitrag über seinen Verein vorgeschlagen hatte.

Tauschtreffen des Vereins, zu dem auch Gäste gern gesehen sind, finden in diesem Jahr noch am 15. November und am 20. Dezember von 15.30 bis 18.30 Uhr im Russischen Haus, Friedrichstraße 176-179, Berlin-Mitte, im Konferenzsaal der 5. Etage statt. Kontakt über: erhard-engelmann@t-online.de und (030) 529 20 12.

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