nd-aktuell.de / 23.10.2012 / Politik / Seite 7

Isländer wollen sich Zugriff auf Naturschätze bewahren

Als Folge der Finanzkrise hielt der Inselstaat ein Referendum über eine Änderung der Verfassung ab

Andreas Knudsen, Kopenhagen
Eine Zweidrittelmehrheit der Isländer empfahl dem Parlament des Landes am Wochenende, den vorliegenden Verfassungsentwurf als Grundlage für das künftige oberste Rechtsdokument zu nehmen.

Sechs Fragen sollten die isländischen Wähler beantworten, bevor sie gültiges Recht in der neuen Verfassung Islands werden können. Alle wurden mit einem deutlichen Ja beantwortet. Durch dieses Mandat wird festgeschrieben werden, dass die Naturreichtümer der Insel - die Fischbestände, Energieressourcen und Bodenschätze - Island und seinen Bürgern gehören. Diese Forderung wurde bereits in einer landesweiten Unterschriftensammlung unterstützt. Wie diese Festlegung interpretiert wird, bleibt künftiger Rechtsprechung vorbehalten. Klar ist jedoch, dass damit Einfluss auf ausländische Energiekonzerne, die einen Großteil der Energieressourcen Islands für die Aluminiumproduktion verwenden, auf chinesische Großinvestoren und die Beitrittsverhandlungen mit der EU genommen wird.

Auch Grund- und Freiheitsrechte waren Thema der Volksbefragung. Etwa, ob das Wahlsystem künftig die dünn besiedelten Regionen im Norden und Osten der Insel weniger bevorzugen soll. Hier sind wesentlich weniger Stimmen erforderlich, um einer Partei überproportionale Repräsentation im isländischen Parlament Althing zu sichern. Die OECD hatte dies bemängelt, die Wähler stimmten dem nun zu. Allein im Hauptstadtbereich leben zwei Drittel aller Isländer und ein Parlamentsplatz ist dort entsprechend schwieriger zu erkämpfen.

Die bisherige Verfassung trat 1944 mit Erlangung der Unabhängigkeit von Dänemark in Kraft. Seither wurde sie nur in Details modifiziert. Kritiker weisen darauf hin, dass viele Artikel noch genauer formuliert werden sollten. Dazu gehört beispielsweise die Rolle des Präsidenten, die weitgehend als repräsentativ beschrieben wird. Präsident Ólafur Grímsson, der im Sommer in seine fünfte Amtsperiode gewählt wurde, hat sie in Folge der Krise jedoch offensiver definiert als seine Vorgänger und mehrfach seine Unterschrift verweigert, um beispielsweise die Schuldenabwicklung gegenüber ausländischen Banken zu legitimieren.

Der Verfassungsentwurf wurde von einem Gremium aus 25 Bürgern erarbeitet, das vom Althing vorgeschlagen und in einer Volksabstimmung bestätigt wurde. Das Parlament wird die endgültigen Formulierungen vornehmen, bevor auch die Endversion einem Referendum vorgelegt wird. Der Entwurfsprozess wurde international aufmerksam verfolgt und als hervorragend bewertet, was die Offenheit der Arbeit und die Einbeziehung der Wähler betrifft.