Bestellungen von den Lippen lesen

Gehörloser Gastronom führt in Neukölln das Café Ole

  • Bernice Hoogen, dpa
  • Lesedauer: 2 Min.

Hinter der Theke scheppert es, die Kaffeemaschine faucht, man hört das Stimmengewirr der Gäste im Neuköllner Café Ole. Besitzer Sezer Yigitoglu eilt durch den Raum und nimmt Bestellungen seiner Gäste auf. Dabei liest der 29-Jährige seiner Kundschaft die Wünsche von den Lippen ab - Yigitoglu ist einer der wenigen gehörlosen Gastronomen Deutschlands.

»Bisher klappt alles super«, sagt der junge Café-Inhaber. Von Kind an trainierte er das Lippenlesen und lernte in der Gehörschule mittels Vibrationen Laute und Wörter. Seine Familie benutzt bis heute keine Gebärdensprache. Deshalb merkten manche Gäste gar nicht, dass er sie nicht hören kann.

»Normalerweise ist die Verständigung kein Problem«, betont Christian Seipel, ein guter Freund Yigitoglus, der ihm beim Gespräch die Stimme leiht. Es hilft, dass der Laden in einer angesagten Ecke liegt, und sogar aus ganz Deutschland reisten gehörlose Gäste an. Viele wollten den gehörlosen Gastronomen kennenlernen.

Wie viele Behinderte es in der Gastronomie gibt, lässt sich schwer bestimmen. Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hat dazu keine Zahlen. Sich mit Handicap selbstständig zu machen, sei »bewundernswert«, sagt Dehoga- Sprecher Benedikt Wolbeck.

Die Gehörlosenszene wirkt oft sehr abgeschottet, Yigitoglu hat sich schon immer aktiv in die Welt der Hörenden integriert. Dann kam der Vorschlag seiner Freunde, ein Café zu eröffnen - schließlich liebt der gelernte Bäcker Kuchen. Und so ging für den 29-Jährigen mit dem nach seinem Hund benannten Café ein Traum in Erfüllung.

Trotzdem war die Familie anfangs eher skeptisch. »Meine Mutter meinte aber, ich hätte schon als Kind immer meinen Kopf durchgesetzt«, erzählt Yigitoglu. . Schon bald soll es auch Konzerte und Ausstellungen geben.

Café Ole, Boddinstraße 57, Neukölln

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