nd-aktuell.de / 27.10.2012 / Politik / Seite 16

Böse Briketts

Handwerks-Sachverständige helfen bei Streitigkeiten - Erfahrungen aus Niedersachsen

Kai Böhne, Göttingen
Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige unterstützen Endverbraucher, Handwerker, Versicherungen, Gerichte und Behörden in Streit- und Schadensfällen. Sachverständige aus dem Schornsteinfegerhandwerk berichten über ihre Arbeit in Niedersachsen.

Die neue Heizungsanlage mit einem Niedrigtemperaturkessel war noch kein Jahr alt - und schon gab es Probleme. Das in den Schornstein eingelassene Edelstahlrohr rostete. »Ich konnte händeweise Rost aus der Revisionsklappe entnehmen«, berichtet der Sachverständige im Schornsteinfeger-Handwerk, Albert Borsum. »So etwas darf bei neuwertigen Anlagen eigentlich nicht passieren.«

Der Sachverständige wurde gerufen, um die Ursachen zu erforschen. Beim Betreten der Kellerräume hatte Borsum sofort ein Stechen in der Nase verspürt: »Die Luft war geschwängert von einem beißenden Chemiegeruch.« In dem Gebäude war mit Fliesenkleber, Farben und Lacken renoviert worden. Borsum zog einen Chemiker hinzu. Dieser bestätigte: Die Ausdünstungen der verwendeten Farben und Klebstoffe hatten als Katalysator gewirkt, sie waren verantwortlich für die Zersetzung des Edelstahlrohres.

Das war nur ein Fall aus der 18-jährigen Sachverständigenpraxis Borsums, früher Bezirksschornsteinfegermeister aus Schellerten bei Hildesheim. Um Streitigkeiten bei fehlerhaften Handwerkerarbeiten, unsachgemäßer Bedienung oder Bauschäden klären zu lassen, werden oft Sachverständige eingeschaltet. Sie sollten über mehrjährige Berufserfahrung und überdurchschnittliche Fachkenntnis verfügen, es wird Objektivität und Neutralität erwartet. Die Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen führt für ihren Zuständigkeitsbereich eine Datenbank. Diese weist für jede Branche kompetente Sachverständige aus.

Albert Borsum erstellte seit 1993 wohl rund 100 Gutachten zu Stör- und Schadensfällen an Feuerungsanlagen. Als er im November 2010 in den Ruhestand ging, wurde er durch Dieter Büntge aus dem Raum Göttingen und Markus Traupe aus Hildesheim abgelöst. Die beiden jüngeren Kollegen wurden als Sachverständige für das Schornsteinfeger-Handwerk vereidigt und öffentlich bestellt.

Büntge sammelte schon zuvor Erfahrungen bei der Analyse von Schadensfällen, er assistierte seinem Vorgänger. Ein gemeinsamer Fall ist noch gut in Erinnerung. »Damals bekam ich einen Anruf aus dem Niedersächsischen Umweltministerium«, erzählt Borsum. Der Staatssekretär wollte den Gutachter rügen, weil sich ein unterlegener Prozessbeteiligter beschwert hatte.

Im Gerichtsverfahren hatte sich dieser als Choleriker präsentiert. »Der Kläger schrie im Prozess herum, weil man seinen Schilderungen nicht folgen wollte«, berichtet Borsum. Das Nichtfunktionieren seiner Heizungsanlage führte der Hausherr auf die Lieferung fehlerhafter Briketts zurück. Seit der Verwendung dieser Briketts funktioniere seine Anlage nicht mehr, berichtete er vor Gericht. Borsum und Büntge hatten den Fall untersucht. Bereits beim Ortstermin war ihnen der desolate Zustand des Hauses aufgefallen. Ein Ofen war defekt, ein anderer nicht richtig angeschlossen. Die Abluft konnte nicht abziehen. Außerdem war der Schornstein mit zu vielen Feuerstätten belegt.

Die gesamte Anlage schien nicht fachmännisch angeschlossen zu sein. »Ich vermutete, der Hausherr hatte sie selbst eingebaut. Die Luftzirkulation funktionierte nicht. In den Wohnräumen bildete Kohlenmonoxid eine Gefahr für die Bewohner«, erzählt Borsum. Weil der Hausherr aber alles auf die Briketts zurückführte, ließ Borsum die Briketts analysieren: Es war übliche Handelsware. Nach der Niederlage im Zivilprozess schaltete der aufgebrachte Hausherr das Umweltministerium ein. Doch auch hier konnten seine Behauptungen nicht überzeugen.