Eine schwere Hypothek

  • Annelie Buntenbach
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf den ersten Blick erscheint die Situation grotesk: Obwohl die Rentenkassen Milliardenüberschüsse machen und die Renten in diesem Jahr anständig erhöht wurden, ist das Vertrauen in die Rentenversicherung wieder gesunken. Näher betrachtet ist dies allerdings kein Wunder. Denn es wird viel über Altersarmut geredet, doch nichts geschieht. Dabei ist die Rente der jungen Generationen in ernster Gefahr, weil das Rentenniveau bis auf 43 Prozent absinken soll. Wer 2000 Euro im Monat verdient, müsste dann durchgehend 43 Jahre arbeiten, nur um im Alter nicht auf Sozialhilfe angewiesen zu sein. Selbst Durchschnittsverdiener werden nicht vor Altersarmut sicher sein.

Bundesarbeitsministerin von der Leyen hat die Senkung des Rentenniveaus als Hauptursache für die Altersarmut bezeichnet. Doch wer erwartet, dass die Koalition etwas dagegen tut, wird bitter enttäuscht. Im Gegenteil: Union und FDP haben gerade beschlossen, die Überschüsse in der Rentenkasse zu verpulvern. Es sind Milliarden, die dringend gebraucht werden, um Altersarmut zu bekämpfen. Der Rentenbeitrag soll auf 18,9 Prozent gesenkt werden. Was erst einmal nach Entlastung klingt, ist in Wahrheit eine schwere Hypothek für die jungen Generationen.

Tatsächlich entlastet werden nur die Unternehmen. Den Beschäftigten, die im Schnitt knapp neun Euro mehr in der Tasche haben, drohen wegen der Beitragssenkung fast 20-mal höhere Einbußen bei ihrer Rente. Warum? Wenn der Beitrag gesenkt wird, schmelzen die Reserven aufgrund der demografischen Entwicklung wie Eis in der Sonne. Es steht jetzt schon fest, dass der Rentenbeitrag in wenigen Jahren wieder deutlich angehoben werden muss. Doch wer nun erwartet, dass es dafür eine Sicherung der Renten gäbe, wird wieder enttäuscht. Die künftigen Beitragserhöhungen werden dann erforderlich sein, nur um die Rentenversicherung zahlungsfähig zu halten. Der Sturzflug des Rentenniveaus würde weiter gehen. Und dann heißt es: Sorry, für mehr ist kein Geld da.

Das eigentlich Groteske an dieser Debatte ist die Verlogenheit, mit der Wirtschaftsinteressen gegen jede Vernunft durchgeboxt werden. Seit Jahren wird über die alternde Gesellschaft debattiert und mehr Vorsorge gefordert. Aber gemeint ist offensichtlich immer nur private Vorsorge des oder der Einzelnen, was viele bekanntlich gar nicht können. Wenn es aber um finanzielle Verantwortung der Arbeitgeber geht - und die sollen paritätisch mitzahlen -, dann ist die schwäbische Hausfrau vergessen. Gerade jetzt, wo die Rentenversicherung hohe Rücklagen hat und die Chance besteht, eine Demografie-Reserve aufzubauen, werden die Milliarden einfach verbraten. Und dies, obwohl klar ist, dass das Rentenniveau in den Keller geht, wenn hier nicht endlich eine rote Linie gezogen wird.

Der DGB und seine Gewerkschaften haben ein Rentenmodell vorgelegt, mit dem das heutige Rentenniveau auch in Zukunft stabil gehalten und auch die Rente mit 67 zumindest ausgesetzt werden kann. Dazu braucht der Beitragssatz nur in kleinen Stufen angehoben zu werden. Die Belastungen wären mit 0,1 Prozent pro Jahr sehr überschaubar und für alle verlässlich planbar. Stabile Beiträge für sichere Renten - das ist der richtige Weg, dann klappt’s auch wieder mit dem Vertrauen.

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