nd-aktuell.de / 03.11.2012 / Politik / Seite 15

Ärger mit dem Müll

Seit Juni können Kommunen private Wertstoffsammlungen untersagen - Erfahrungen aus Thüringen

Nur Müll - oder bares Geld? Das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz des Bundes soll die Kommunen vor unkontrolliertem Wertstoffsammeln schützen. Doch es drohen Klagen - Erfahrungen aus Thüringen.

Erfurt/Meiningen (dpa/nd). Eine Änderung im Abfallrecht zu Wertstoffsammlungen in Kommunen könnte nach Ansicht eines Experten zu einer Klagewelle führen. »Das wird die Verwaltungsgerichte in den kommenden drei Jahren beschäftigen«, sagte Holger Jacobj, Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Die Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes aus dem Juni verpflichtet gewerbliche Sammler, ihre Aktionen mindestens drei Monate vorher beim Landesverwaltungsamt anzuzeigen. Dagegen können betroffene Landkreise und kreisfreie Städte oder deren Abfallentsorger Einspruch einlegen. Das Thüringer Landesverwaltungsamt kann die Sammlungen dann untersagen. Bisher fiel bereits fast jede zehnte Stellungnahme negativ aus, wie das Landesverwaltungsamt auf dpa-Anfrage mitteilte. Insgesamt wurden 15 angezeigte Sammlungen abgelehnt. Beim Landesverwaltungsamt waren seit Juni 186 Sammlungen angekündigt worden, davon jede zweite für Altpapier oder Schrott.

Anwalt Jacobj bezweifelt, dass die Untersagungen vor Gericht Bestand haben würden. Er rechnet daher damit, dass einige private Sammler klagen werden. So ist derzeit bereits ein Beschwerdeverfahren gegen die Sammlungsverbote bei der EU-Kommission anhängig. Vielen Kommunen sind die privaten Sammler ein Dorn im Auge. »Rosinenpickerei« werfen sie den Firmen vor. »Die öffentliche Hand soll bei niedrigen Papierpreisen für die Sammlung zahlen, aber wenn die Preise sich lohnen, sollen sie nichts bekommen«, sagt Evelyn Warmuth, Fachdienstleiterin Abfall und Altlasten im Landkreis Schmalkalden-Meiningen. Die Kommunen stellten Rücknahmesysteme auch bereit, wenn sie damit Verlust machten. »Wenn sie dann auch etwas verdienen, kommt das schließlich allen Gebührenzahlern zugute.« Das sieht auch Ines Henneberg vom Abfallwirtschaftsbetrieb des Ilm-Kreises so: Das erleichterte die Lage der Bürger erheblich.

Der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) weist dieses Argument zurück. »Die Kommunen arbeiten oft weniger effizient als die privaten Unternehmen«, sagt Lars Kossack, Landesvorsitzender des bvse. »Das ist ein Eingriff in die Berufsfreiheit.« Zudem gingen die privaten Sammler viel mehr auf die Bedürfnisse der Industrie ein. »Private Sammler sammeln besonders Zeitungen und Zeitschriften, weil die Papierfabriken sortenreines Altpapier brauchen.« Ines Henneberg von der Abfallwirtschaft des Ilm-Kreises sieht weniger ortsansässige Entsorger als das eigentliche Problem an. »Es gibt viele Sammler, die mit Zetteln auf ihre Sammlung hinweisen, und darauf steht weder eine Adresse noch eine Telefonnummer«, sagte sie. »Da weiß man nicht, wo die Sachen überhaupt landen, geschweige denn, ob die richtig verwertet werden.«

Das Gesetz sieht daher auch Möglichkeiten für die Entsorgungsbetriebe und die Abfallbehörden vor, die Sammlung nur unter Auflagen zu erlauben. So können die Sammler unter anderem gezwungen werden, regelmäßig zu kommen. Tun sie das nicht, müssen sie den kommunalen Entsorger für den entstehenden Mehraufwand entschädigen.

Viele Händler interessieren sich inzwischen nicht mehr nur für Papier und Schrott. »Wir merken, dass das Interesse für Textilien wächst«, sagte Henneberg. Ralf Armbruster vom Branchendienst EUWID sieht einen klar bezifferbaren Grund: »Der Weltmarktpreis für Kleidung und Schuhe ist auf einem sehr hohen Niveau.«